Ein Chip, zum Beispiel, der nach einer vom Hersteller festgelegten Zeitspanne ein Gerät unbrauchbar macht, um dessen Umsatz zu steigern? Belege konnten dafür bisher nicht gefunden werden.

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Das mediale Echo zur kürzlich veröffentlichten Studie des deutschen Umweltbundesamts zur sogenannten geplanten Obsoleszenz ist groß: Erneut konnten keine Belege dafür gefunden werden, dass Hersteller anhand gezielter Mängel die Lebensdauer ihrer Produkte verringern. Damit reiht sich die Studie in eine lange Geschichte von Versuchen ein, die geplante Obsoleszenz als systematischen Betrug nachzuweisen. Doch die Suche nach Beweisen ist nicht nur eine hoffnungslose Angelegenheit, sondern verfehlt schlichtweg den Kern des Problems. Sie entspricht dem verzweifelten Versuch, einen Sündenbock für eine Entwicklung auszumachen, für die letztendlich die gesamte Gesellschaft verantwortlich ist.

Romantische Vorstellung

Hinter dem Vorwurf der geplanten Obsoleszenz steckt die nahezu romantische Vorstellung von betrügerischen Unternehmen, die auf skandalöse Weise die Lebensdauer ihrer Produkte manipulieren. Paradoxerweise fällt ein Plastikzahnrad in einem Stabmixer unter die gegenwärtige Definition von geplanter Obsoleszenz, während die weitverbreitete Verwendung von Plastik in allen möglichen Alltagsgegenständen als "normal" gilt. Aus ökologischer Sicht ist das letztere Phänomen jedoch von weit größerer Bedeutung als vermeintliche Fälle von geplanter Obsoleszenz, so skandalös diese auch erscheinen mögen.

Vor allem aber lassen sich scheinbare Fälle von geplanter Obsoleszenz nicht von den unvermeidbaren Entscheidungen zur Lebensdauer eines Produktes abgrenzen. Die konkrete Bestimmung der Lebensdauer eines Produktes ist weit komplexer als von Kritikern der geplanten Obsoleszenz angenommen. So könnten theoretisch auch Schuhe mit einer Lebensdauer von 100 Jahren hergestellt werden, beispielsweise aus Stahl. Solche Schuhe wären allerdings nicht sehr angenehm zu tragen und wohl nicht besonders rutschfest. Designer müssen daher viele weitere Kriterien berücksichtigen, wie zum Beispiel Komfort, Aussehen, Form und Produktionskosten.

Wie lange ist "lange genug"?

Das Kernprinzip im Produktdesign lautet also nicht, wie die Autoren der Studie hervorheben, dass Produkte so lange wie möglich halten, sondern so lange wie nötig. Das wirft allerdings eine entscheidende Frage auf. Denn wer bestimmt, welche Lebensdauer nötig ist? Für Kritiker der geplanten Obsoleszenz ist es schlicht das kapitalistische Gewinnstreben, das die Lebensdauer nach unten drückt. Die Autoren der Studie machen es allerdings nicht viel besser und stellen Hersteller unkritisch als passive Akteure dar, die lediglich auf die Erwartungen ihrer Umwelt reagieren. Thiemo Heeg von der "FAZ" schlussfolgert dementsprechend: Der schnelle Austausch von Elektrogeräten "liegt nicht an den vermeintlichen Sollbruchstellen der Geräte, sondern am Konsumverhalten der Deutschen".

Diese Interpretation übersieht jedoch zwei wesentliche Punkte: Zum einen haben auch die Unternehmen einen maßgeblichen Anteil an der Definition, welche Lebensdauer als "nötig" oder normal erachtet wird. Werbung und die Geschwindigkeit, mit der "neue" Produkte eingeführt werden, haben einen beträchtlichen Einfluss auf diesbezügliche Erwartungen der Konsumenten, wie eine Studie der Arbeiterkammer Wien gezeigt hat. Zum anderen können sich Produktdesigner nicht ausschließlich an den mutmaßlichen Erwartungen von Konsumenten orientieren, sondern sind auch den unternehmensintern definierten Verkaufszielen unterstellt.

Mindestanforderungen sind nötig

Inwieweit Kompromisse auf Kosten der Lebensdauer für nötig gehalten werden, hängt davon ab, wie wichtig andere Kriterien für die Gesellschaft sind. Und das basiert auf den Entscheidungen aller Akteure, Konsumenten wie Produzenten. Anstatt weiter nach Sündenböcken unter Herstellern zu fahnden oder von einer vielfach widerlegten Wegwerfmentalität unter Konsumenten auszugehen, sollten wir uns daher viel mehr fragen, warum die allgemeine Kurzlebigkeit gängiger Produkte wie T-Shirts und Laptops heutzutage als normal hingenommen wird. Ohne regulatorische Eingriffe wie festgesetzte Mindestanforderungen an die Produkte wird sich die gegenwärtige Entwicklung zu einer immer kürzeren Nutzungsdauer allerdings nicht umkehren lassen. (Harald Wieser, 19.2.2016)