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Die EU-Staatschefs am Freitag in Brüssel

Foto: REUTERS/Martin Meissner/

Brüssel – Die Staats- und Regierungschefs der EU haben sich Freitagnacht mit dem britischen Premierminister David Cameron auf ein Paket an Reformmaßnahmen geeinigt, die Großbritannien weitere Sonderrechte einräumen. So wird London gewisse Sozialleistungen – etwa die Kinderbeihilfe –, die den im Land arbeitenden EU-Ausländern zustehen, einschränken können. Solche Maßnahmen werden zeitlich befristet und müssen von der EU-Kommission und den Partnern genehmigt werden, sofern mit einer "Notlage" des Sozialsystems begründet.

Ein Vetorecht bei der Finanzpolitik der Eurozone bekam Cameron nicht. Dafür sollen nationale Parlamente bei Reformen mehr mitreden dürfen. Großbritannien muss sich auch nicht an der immer engeren Integration beteiligen. Die Einigung macht den Weg frei für ein Referendum über einen EU-Verbleib des Landes, das für den 23. Juni angesetzt wurde.

Maximal sieben Jahre

Dem der Nachrichtenagentur Reuters vorliegenden Kompromisspapier zufolge soll die von der britischen Regierung geforderte "Notbremse", mit der EU-Ausländer von Sozialleistungen ausgeschlossen werden können, maximal sieben Jahre gelten. Kindergeldzahlungen für Kinder, die nicht im Vereinigten Königreich leben, sollen umgehend für neue Antragssteller an die Lebenshaltungskosten im Ausland gekoppelt werden.

Ab 2020 können andere EU-Staaten diese Regelung übernehmen. Die Ausnahmeregelung für Großbritannien von einer Verpflichtung zum immer engeren Zusammenschluss der EU soll in einer EU-Vertragsänderung verankert werden. Das Gleiche gilt für das Verhältnis zwischen Euro-Zone und Nicht-Euro-Ländern.

David Cameron zeigte sich bei seiner spätabendlichen Pressekonferenz zufrieden mit der erzielten Einigung und sagte, er werde beim bevorstehenden Referendum empfehlen, für einen Verbleib Großbritanniens in der EU zu stimmen.

Am Samstag werde er die Einigung seinem Kabinett in London vorlegen. Es wird erwartet, dass er mit Rückendeckung seines Regierungsteams dann ein Datum für das "Brexit"-Referendum verkündet.

Fast zwölf Stunden Verspätung

Zuvor hatten EU-Gipfelchef Donald Tusk und EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker einen Kompromissvorschlag auf den Tisch gelegt. "Es ist ein sehr fairer und ausgewogener Vorschlag", berichteten Diplomaten am Rande des EU-Gipfels. Auf dieser Basis nahmen die Staats- und Regierungschefs mit fast zwölf Stunden Verspätung ihre Beratungen über die umstrittenen Reformforderungen Großbritanniens wieder auf.

Ursprünglich sollte der EU-Gipfel bereits am späten Freitagvormittag beginnen. Das geplante Frühstück wurde wegen Meinungsverschiedenheiten unter den EU-Mitgliedern abgesagt. Vorgespräche und bilaterale Treffen dauerten den ganzen Tag über an.

Der britische Premier David Cameron wollte zahlreiche Zugeständnisse etwa bei den Sozialleistungen für EU-Bürger in Großbritannien durchsetzen, um einen "Brexit", also das Ausscheiden Großbritanniens aus der Europäischen Union, abzuwenden. (APA, 19.2.2016)