Umberto Eco im Jahr 2011.

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Eco, 2015.

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Wien – "Ich hatte den Drang, einen Mönch zu vergiften." Dieses berühmte Ursprungsmotiv von Umberto Ecos Roman "Der Name der Rose" ist fast noch wichtiger als der Beginn des eigentlichen Texts. Denn mit diesem ersten Satz, einer zugespitzten Idee, zeigt sich der Erzähler in einer hintersinnigen Weise – als ein Getriebener, dem allerdings eine Pointe reicht, und schon entfaltet sich eine ganze Welt.

1980 erschien der Bericht, den ein gewisser Adson von Melk über seine Erlebnisse in einer Benediktinerabtei im 14. Jahrhundert zu Papier gebracht hatte, und den Umberto Eco, in der Rolle eines Boten, die er sich zugedichtet hatte, natürlich in einer "alten Handschrift" gefunden haben wollte. "Der Name der Rose" war ein epochales Buch in zweifacher Hinsicht: Das oft im Verdacht der Trivialität stehende historische Erzählen wurde dadurch auf eine davor kaum gekannte Weise intellektuell nobilitiert, es wurde aber auch als ein Spiel ausgewiesen, zu dem allerdings nur die in der Lage sind, die hinreichend gelesen haben.

Bücher handeln von Büchern

Möglicherweise wird es nie wieder einen Menschen geben, der so viel gelesen hat wie Umberto Eco. Die Erkenntnis, dass Bücher vor allem von anderen Büchern handeln, hat er auf mehreren Ebenen angewandt. Er war ein formidabler Wissenschaftler, der in seinen Standardwerken im Bereich der Ästhetik auch ganz orthodox zitieren konnte. Seine Dissertation, mit der er 1954 in Turin promovierte, beschäftige sich mit Thomas von Aquin, schon damals also mit dem Mittelalter, und dort mit den ästhetischen Aspekten bei dem großen Scholastiker. Zehn Jahre später wies Eco mit einer Untersuchung zu den Poetiken von James Joyce auch seine Wurzeln in der Moderne aus. Es war aber vor allem der argentinische "Universalbibliothekar" Jorge Luis Borges, vom dem er entscheidende Inspirationen erhielt.

Studium in Turin

Zu dem Renaissancemenschen, zu dem Umberto Eco sich allmählich entwickelte, bot ihm die intellektuelle Szene des reichen Norditalien die idealen Bedingungen. Aus dem gebirgigen Südpiemont, wo er 1932 geboren wurde und wo er die Gefahren der Befreiung (die Bomben aus der Luft und die Verfolgung der Partisanen durch die zurückweichenden Faschisten) überlebte, fand er den Weg in die verschiedensten Institutionen. Das Studium in Turin, vor allem aber dann der Kontakt mit dem öffentlich-rechtlichen Fernsehen in Mailand machten aus Eco einen vielseitigen, zwischen Universität und Medienöffentlichkeit virtuos wechselnden, akademischen Intellektuellen.

1962 erschien "Das offene Kunstwerk", ein bis heute relevantes Werk über den unabschließbaren Prozess der Interpretation, an dem Eco zeitlebens so großes Vergnügen hatte. Von 1975 bis 2007 war die Universität in Bologna seine geistige Heimstatt. Von seinem akademischen Ethos zeugt nebenbei auch eine bis heute lieferbare "Einführung Wie schreibt man eine wissenschaftliche Arbeit?". Er beherrschte dieses Genre, wie auch eine "Einführung in die Semiotik" zeigt (1968, im Original eigentlich: "Die abwesende Struktur", ein in dieser Blütezeit des französischen Strukturalismus fast schon unerhört selbstbewusster Titel). Aber er war immer zu sehr Humanist, um die Welt als bloßes Zeichensystem in postmoderne Beliebigkeit aufzulösen.

Homme de lettres

Mit dem Roman "Der Name der Rose", den er wie eine Fingerübung aussehen ließ, wurde er zum Homme de lettres von Weltgeltung, und nun wurden nicht nur wichtige frühe Texte zur Massenkultur ("Apokalyptiker und Integrierte", ursprünglich 1964) eilends ins Deutsche übersetzt, sondern auch seine Kolumnen für das Nachrichtenmagazin "Espresso" fanden fortan ein Publikum, wie auch seine anhaltende poetologische Beschäftigung: Das Buch "Lector in fabula", über den interpretierend mitarbeitenden Leser "in der Fabel", handelt implizit natürlich vor allem von ihm selbst. Wobei er den Begriff "Buch" auch immer ganz konkret nahm: Zahlreiche Besucher, die ihn aufsuchten, um ihn zu interviewen, kamen in den Genuss einer Führung durch seine Büchersammlung, in der zahlreiche wertvolle Bestände zu finden waren.

Beinahe wie ein Hochleistungssportler des Geistes, der immer in Bewegung bleiben muss, ließ er auf seinen ersten Roman noch weitere folgen, umfangreiche intellektuelle Abenteuerreisen wie "Das Foucaultsche Pendel" oder "Die Insel des vorigen Tages", und als wäre das nicht genug, brachte er gelegentlich noch etwas für Kinder zu Papier ("Die Gnome von Gnu", 1992), machte sich in seinen Kolumnen Gedanken über Derrick oder die Peanuts, und betätigte sich auch als Moralist ("Vier moralische Schriften"). Bei alldem sah er sich bezeichnenderweise nicht so sehr als Herrscher der Buchstaben, sondern als ein "Fabrikant der Bilder" ("fabbricante di immagini"). Denn das war die größte Stärke von Umberto Eco: Dass er mit der Sprache nicht die ewigen Wahrheiten suchte, sondern die Freiheiten der Imagination. Am Freitag ist er im Alter von 84 Jahren in Mailand einem Krebsleiden erlegen. (Bert Rebhandl, 20.2.2016)