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Das kanadische Freihandelsabkommen mit der EU sorgte bisher für nicht so viel Aufregung wie TTIP, gilt aber als Präzedenzfall.

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Wien/Brüssel/Ottawa – Eigentlich ist das Handelsabkommen der EU mit Kanada bereits seit eineinhalb Jahren ausverhandelt und im Prozess des "legal scrubbing", also der Phase, in der ein Vertrag von beiden Seiten juristisch abgeklopft wird. Dabei zeigt sich aber immer mehr, dass wichtige Teile im Vertrag, der Verhandlern zufolge satte 1600 Seiten haben soll, nicht zufriedenstellend geklärt sind – und zwar auch für die kanadische Seite.

Vor allem der Investorenschutz stößt auf Ablehnung, und da wiederum der Streitbeilegungsmechanismus ISDS (Investor-Staat-Streitbeilegung), bei dem es dem ausländischen Investor möglich ist, gegen einen Staat, in dem er investiert hat, zu klagen. "Die Kanadier haben mit diesem Instrument im Rahmen von Nafta schlechte Erfahrungen gemacht", sagt Karoline Graswander-Hainz, SP-Mitglied im Handelsausschuss im EU-Parlament. Nafta ist das Nordamerikanische Freihandelsabkommen.

Rechte der Investoren

Teile des EU-Parlaments haben sich zuletzt vehement gegen ISDS ausgesprochen, da sich "Firmen die Richter dabei aussuchen können", wie es die EU-Abgeordnete formuliert. Es gehe nicht, dass ausländische Investoren mehr Rechte genießen als inländische, war ein Argument dagegen.

Stattdessen wird von beiden Seiten ein internationaler Handelsgerichtshof (ICS, Investment Court System) favorisiert – obwohl der Deutsche Richterbund auch dagegen Bedenken geäußert hat. Denn fraglich sei, ob es in einem guten Rechtssystem, wie es in der EU herrsche, überhaupt die Notwendigkeit eines besonderen Gerichtshofs gibt.

Sicht des EU-Parlaments

Dass es bei Ceta noch viel nachzubessern gibt, wird auch aus einer neuen Studie ersichtlich, die Ferdi de Ville, Professor an der Universität Gent, erstellt hat und die dem STANDARD vorliegt. Darin wurde überprüft, ob langjährige Forderungen des EU-Parlaments in den Vertrag Eingang gefunden haben. Sehr viele Themen, kommt da heraus, sind im Vertrag aus Sicht des EU-Parlaments nicht zufriedenstellend gelöst.

Da nachzugeben wäre aber für die EU fatal, führt der Studienautor aus. Denn das Ceta-Paket kann als Präzedenzfall für TTIP herangezogen werden. Die US-Verhandler würden einer "härteren" Variante in ihrem Vertrag mit Verweis auf das Ceta-Abkommen nicht zustimmen. Außerdem würde bei zu großen Unterschieden zwischen Ceta und TTIP der US-amerikanische Vertrag mit der EU ausgehebelt werden: Viele US-Firmen haben Niederlassungen in Kanada und könnten dann das Ceta-Abkommen für sich zur Anwendung bringen, wenn dies günstiger ist. Das Fazit des Autors: Ein nicht sauber verhandeltes Abkommen mit Kanada würde die Verhandlungsposition der EU gegenüber den USA schwächen.

Parlamentsdebatten erst 2017

Beiden Seiten sei klar, dass Ceta in der jetzt vorliegenden Version keine Zustimmung bekomme, meint Graswander-Hainz. Es sei daher nur logisch, dass die strittigen Teile einfach neu verhandelt werden, bevor es zum Ratifikationsprozess kommt. Deshalb sei es auch unrealistisch, dass das Abkommen mit Kanada noch im Sommer ins EU-Parlament kommt. Wahrscheinlicher sei das Jahr 2017. (Johanna Ruzicka, 22.2.2016)