Wien – Die Gewerbeordnung zu entrümpeln ist eines jener klassischen Reformvorhaben, die seit Jahrzehnten gefordert, aber nur ansatzweise umgesetzt werden. Auch im aktuellen Regierungsprogramm ist die "Anpassung der Gewerbeordnung an veränderte gesellschaftliche Rahmenbedingungen" verankert – bisher ohne spürbaren Effekt. Einzelne Zugangserleichterungen wie der Wegfall von Voraussetzungen zur Meisterprüfung im Jahr 2008 gab es. Doch die Zahl der Tätigkeiten, für die ein Berufsschutz besteht, liegt weiter stabil bei rund 80.
Eine der wenigen Branchen, in denen sich tatsächlich etwas geändert hat, ist die Fotografie. Seit gut zwei Jahren steht der "Berufsfotograf" nicht mehr auf der Liste der reglementierten Gewerbe. Für diese ist ein Befähigungsnachweis vorzuweisen, in der Regel die Meisterprüfung. Für die Fotografen hat der Verfassungsgerichtshof den Berufsschutz wegen der fehlenden sachlichen Rechtfertigung 2013 aufgehoben. Diese stammte noch aus Zeiten der analogen Fotografie, in der das Handwerk ungleich schwieriger zu erlernen war. Die Digitalfotografie machte die Reglementierung zur Antiquität, bedeutet sie doch einen Eingriff in das in der Verfassung verankerte Recht auf Freiheit der Erwerbstätigkeit, der gut argumentiert werden will.
Dreimal mehr Selbstständige
Der Wegfall der technischen Hürden lässt die Zahl der selbstständigen Fotografen rasant ansteigen. Die Liberalisierung, die schon 2012 mit einer Übergangslösung eingeleitet wurde, hat diese Entwicklung zusätzlich befeuert. Seit damals hat sich die Zahl der Berufsfotografen fast verdreifacht. Nur ein kleiner Teil davon sind ehemalige Pressefotografen, die nach wie vor einen eigenen Berufszweig bilden. Nur sie unterlagen schon vor der Änderung grundsätzlich keiner Reglementierung.
Überhaupt sind verschiedene Gruppen wie Werbe- oder Hochzeitsfotografen unterschiedlich stark von der Gewerberechtsänderung betroffen, sagt August Lechner von der Grünen Wirtschaft, selbst Fotograf und stellvertretender Landesinnungsmeister in Niederösterreich. Am bedeutendsten sei die Gruppe der klassischen Porträtfotografen. "Die müssen sich was überlegen", würden doch immer mehr Hobbyfotografen auf den Markt drängen, um sich etwas dazuzuverdienen. Das habe aber nicht in erster Linie mit der Gewerbeordnung zu tun. Die Konkurrenz sei schließlich schon davor da gewesen, nur jetzt eben rechtlich legitimiert. Sie "mit ins Boot" zu holen sei die bestmögliche Idee gewesen.
Berufsstand hat sich geändert
Weniger positiv sieht die Sache Heinz Mitteregger, seines Zeichens Bundesinnungsmeister. "Der Berufsstand hat sich komplett geändert", so Mitteregger. Wenn man den Jahresumsatz der Branche auf alle angemeldeten Fotografen herunterbreche, würden sich bei einem durchschnittlichen Jahresverdienst von rund 12.000 Euro nur 500 Vollzeitstellen ausgehen. Die Vollerwerbsfotografen teilen sich den Kuchen aber mit den zahlreichen Nebenerwerbstätigen. "Der Preisdruck ist enorm, es gibt teilweise ein richtiges Gemetzel um Aufträge", schildert Mitteregger.
Die negativen Folgen der Liberalisierung aus Sicht der WKO: Mit dem Wegfall der Meisterprüfung gingen auch viele Lehrstellen verloren. Das unterlaufe das duale Ausbildungssystem, sagt Mitteregger. Der Konsument habe außerdem nicht mehr die Garantie, dass er für sein Geld Qualitätsarbeit bekommt. Beides Argumente, mit der die Kammer auch bei anderen Branchen ihre Ablehnung gegenüber einer Liberalisierung zum Ausdruck bringt.
Die Arbeiterkammer entgegnete in der Begutachtungsphase bezüglich der Änderung der Gewerbeordnung für die Fotografen, mehr Wettbewerb würde zu geringeren Kosten für Konsumenten führen, was gegen die Beibehaltung der Reglementierung spreche. Die Beurteilung der Qualität eines Fotografen erfolge heutzutage ohnehin über Websitegestaltung und Fotoauswahl im Internet.
Qualität findet Kundschaft
Dieser Meinung ist auch die renommierte Wiener Berufsfotografin Lisi Specht. Zusammen mit Kollegen setzte sie sich für den Fall der Reglementierung ein, weil sie sich in ihrer Tätigkeit eingeschränkt sah. So durften Pressefotografen früher ausschließlich Medien beliefern und nicht auch andere Kunden. Bei den Berufsfotografen, damals "Vollfotografen" genannt, war ohnehin der Meisterbrief Voraussetzung. "Die Innung hat lange versucht, den Markt klein zu halten", sagt Specht. Aber: "Die Kunden haben sich immer schon diejenigen Fotografen gesucht, die gute Qualität liefern."
Zum Modell werden die Fotografen vorerst trotzdem nicht: Der Verfassungsgerichtshof hat bisher nur in diesem einen Fall die Rechtmäßigkeit des Berufsschutzes geprüft. (Simon Moser, 22.2.2016)