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Will auf Kritiker, auch in Wien, zugehen und die Vorteile eines Freihandelsabkommens mit den USA kommunizieren: EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström.

Foto: Epa/Hoslet

Das Büro von Cecilia Malmström ist ein funktioneller, schlichter Raum. Helle Wände, wenig Schnickschnack, lichtdurchflutet. Die EU-Handelskommissarin hat alles auf Arbeit ausgelegt, nichts auf Repräsentation: auf der einen Seite des Zimmers ein großer Besprechungstisch, wie er von Ikea sein könnte; beim Schreibtisch auf der anderen ein Stehpult, mit Laptop, Telefon. Computerarbeiten erledigt sie – offenbar gesundheitsbewusst – lieber im Stehen. Zum Gespräch bittet Malmström in die Mitte, zur bunten Couchgarnitur aus Stoff.

Wer die 47-jährige Schwedin in ihrem Umfeld in der EU-Kommission in Brüssel besucht und nicht wüsste, was sie da tut, könnte schwer nachvollziehen, dass ausgerechnet diese Frau bei Globalisierungskritikern das Feindbild schlechthin ist. Wie eine Vertreterin des Großkapitals sieht die liberale Politikerin aus Stockholm nicht aus. Ihre Kleidung stammt eher von Hennes & Mauritz als von Gucci. Sie lacht oft, redet sehr direkt: "Ich bin als Person durch und durch für Transparenz."

Alternatives Ambiente

So wie Malmström dasitzt, sieht sie eher aus wie eine erfolgreiche Akademikerin im alternativ-innovativen Sektor, die besser in ein Café im politisch grünen Wien-Neubau passt als zur Industrielobby am Schwarzenbergplatz. Sie ist aber für alle Handelsfragen der Union rund um die Welt zuständig, betreut dutzende laufende Projekte, etwa Ceta mit Kanada.

Berühmt-berüchtigt ist das zwischen der EU und den USA, das transatlantische Projekt TTIP. Dieses Freihandels- und Investitionsabkommen sei vor allem in Österreich und Deutschland umkämpft, werde ebenso als Gefahr für eine gesunde Umwelt gesehen wie für Sozialgesetze. Vor allem in diesen beiden Ländern gebe es "die hitzige Debatte zu TTIP" wie in keinem EU-Land sonst, erzählt Malmström.

Wien-Besuch mit Diskussion

Montag kam sie nach Wien. Neben Terminen mit dem Wirtschaftsminister und mit Abgeordneten im Parlament stellte sie sich in einer öffentlichen Diskussion in der Arbeiterkammer: Gewerkschaftern und acht NGOs wie Attac, die gegen TTIP kampagnisieren. Sie freue sich darauf, erklärte Malmström im Gespräch mit dem STANDARD. Kritiker hätten eine wichtige Funktion im demokratischen Prozess: "Ich habe von TTIP-Kritikern einiges gelernt." Was zum Beispiel? "Wir haben zu Beginn nicht deutlich genug gesagt, worum es bei TTIP geht, und worum nicht", erklärt die Kommissarin, das habe zu vielen Missverständnissen geführt.

So "werden unsere Standards nicht geändert, da hätten wir viel klarer sein müssen. Es geht nicht darum, dass die Stadt Wien wegen TTIP ihre Krankenhäuser privatisieren muss oder Schulen". Sie räumt ein, dass "mein Vorgänger und ich mehr hätten tun müssen".

Dokumente im Internet einsehbar

Aber jetzt laufe es anders: "Durch das Veröffentlichen der Dokumente im Internet wurde die Sache etwas entdramatisiert", auch durch eigene "Leseräume" für Abgeordnete, in denen diese Einblick in geheime Verhandlungen nehmen könnten. Vertrauliche Dokumente der USA dürfe man nicht online stellen.

Ihr Ziel sei es, "die Ängste von Leuten ernst zu nehmen, sie mit Fakten zu überzeugen". Manche "werden immer dagegen sein, egal was wir aushandeln", meint Malmström: "Sie lehnen die Idee des Freihandels als solche ab."

Aber die 28 Regierungen der Mitgliedsländer hätten bekräftigt, dass die TTIP-Verhandlungen bis Ende 2016 abgeschlossen werden sollen: "Das bleibt das Ziel."

Regulatorische Hemmnisse

Ob das während eines US-Wahlkampfs gelingt, sei offen. Als Nächstes werde es um dem regulatorischen Bereich gehen, etwa die wechselseitige Anerkennung von Produkttests oder von Kennzeichnungen.

Die Handelskommissarin legt sich auf volle Transparenz am Ende fest: "Sobald die Verhandlungen Ende 2016 abgeschlossen werden können, wird der Text in vollem Umfang öffentlich gemacht, und zwar viele Monate bevor der Ratifikationsprozeß beginnt. So lange dauert es, bis alles übersetzt und juristisch geprüft ist", sagt sie. Somit werde viel Zeit sein, das Abkommen öffentlich zu debattieren, ehe die Parlamente darüber entscheiden werden. (Thomas Mayer aus Brüssel, 22.2.2016)