Polizeibeamte beim Jihadistenprozess vor dem Straflandesgericht in Graz am Montag.

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Graz – Die Verteidigungslinie lässt sich auf eine kurze Formel bringen: "Beweise, wir wollen echte Beweise sehen." Die beiden Anwälte der seit Montag in Graz vor Gericht stehenden mutmaßlichen Jihadisten, gehen fest davon aus, dass die angeklagten Verbrechen, die ihren Mandanten zur Last gelegt werden, nicht zu beweisen sein werden. Verbindungen zur Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) sowie Mord oder Anstiftung zu Mord ließen sich durch Sachbeweise nicht belegen. Beide Angeklagten bekennen sich daher für nicht schuldig.

Die Staatsanwaltschaft ist dennoch überzeugt beweisen zu können, dass der angeklagte, 34 Jahre alte "Prediger" aus Serbien – er gilt als Schlüsselfigur der Aktivitäten des IS in Österreich – junge Männer, zum Teil noch Jugendliche, über "Gehirnwäsche" zum Jihad angestiftet habe. Beim zweiten Angeklagten, einem 28 Jahre alten Tschetschenen, könnte eine Zeugenaussage den Ausschlag geben. Beide lebten und wohnten bis zur Inhaftierung mit ihren Familien in Österreich.

Der Ankläger findet in dem von vermummten Cobrabeamten schwerbewachten Grazer Schwurgerichtsaal deutliche Worte: Es gehe hier um politischen Islamismus, einen faschistoiden Führerkult. "Es ist ein enorm wichtiger Prozess. Es geht um terroristische Organisationen, die auch hier in Österreich tätig sind. Das können wir nicht zulassen." Zeugen müssten in das Zeugenschutzprogramm genommen werden, da ihnen Blutrache angedroht worden sei, sagt der Staatsanwalt.

"Sowas geht in Wien"

Der angeklagte "Prediger" hat in Saudi-Arabien islamisches Recht studiert. Zurück in Österreich, habe er sich beim Wiener Stadtschulrat als Religionslehrer beworben und schließlich für die islamische Glaubensgemeinschaft mehrere Jahre in einer Volksschule und Hauptschule unterrichtet, gibt der Angeklagte an. Was den Staatsanwalt halb in Rage bringt. "Sowas geht in Wien. Das muss man sich einmal vorstellen. Bezahlt wurde er vom Stadtschulrat. Eine Ungeheuerlichkeit."

Der Ankläger wirft dem laut Verteidigung "extrem religiösen" Mann vor, das österreichische Rechtssystem und die Gesellschaftsform strikt abzulehnen, nicht aber die Sozialgesetzgebung: "Obwohl er in einer Gesellschaft lebt, die er für eine Sünde hält, nimmt er Sozialunterstützung und Kindergeld für die sechs Kinder an", sagt der Staatsanwalt.

Heftige Wortgefechte

Die Verteidigung, die sich mit dem Staatsanwalt bisweilen heftige Wortgefechte liefert, beschuldigt die Anklage, Sätze über den Jihad, das Köpfen von IS-Gefangenen oder andere inkriminierenden Passagen aus dem Zusammenhang von Reden zu reißen und damit die ursächliche Aussage zu verdrehen. Niemals habe sein Mandant Muslime aufgefordert, für den IS-Staat zu kämpfen, das werde auch nicht nachzuweisen sein. Man werde etliche Zeugen dafür aufrufen, die dies bestätigen.

Die Staatsanwaltschaft müsse ganz klare Fakten auf den Tisch legen, die die Schuld beweisen. Ähnlich argumentiert auch der zweite Verteidiger. Sein Mandant wird beschuldigt, konkret an Morden in Syrien beteiligt gewesen zu sein. Es gebe keine Anhaltspunkte, dass sein Mandant an den fraglichen Zeitpunkten an den Orten des Verbrechens gewesen sei.

Wanzen im Auto

Äußerst zäh verlief denn auch die erste Einvernahme des "Predigers". Er trägt ein blaukariertes Holzfällerhemd und scheint nicht aus der Ruhe zu bringen sein. Er drückt sich überaus gewählt aus und zieht sich auf das Argument zurück, er habe nur gepredigt, was er in Saudi-Arabien gelernt habe.

Er wird mit Mitschnitten von Überwachungsaufnahmen – das Auto wurde verwanzt – konfrontiert. Er singt mit den Kindern im Auto Lieder von der Scharia, die mit dem Gewehr durchzusetzen sei. Es geht auch um Gespräche über Kalaschnikows, Glock-Pistolen und Maschinengewehre. Nein, daran könne er sich nicht erinnern. Auch nicht an jenes Gespräch über ein vollbesetztes Kaffeehaus, als so nebenbei Maschinengewehrgeräusche nachgeahmt wurden. Das seien doch alles bloß "Kneipengespräche" während einer Autofahrt gewesen. Konkret fehle ihm aber die Erinnerung.

Wenn er in seinen Predigten von Ungläubigen, die getötet werden müssten, gesprochen habe, habe er damit bloß die historische Dimension gemeint, dass eben in gewissen Ländern wie in Saudi-Arabien die Scharia das geltende Gesetz sei. Das gelte natürlich nicht in Österreich.

Und der IS, fragt der Richter: "Der unterscheidet sich nicht viel von den anderen Gruppierungen, die unten für ihr Interesse kämpfen." Welches Interesse, fragte der Richter nach. Der Angeklagte hebt die Schultern: "Keine Ahnung, Öl wahrscheinlich."

Der Prozess wird am Dienstag fortgesetzt. Mehr als ein Dutzend Zeugen sollen noch aussagen, drei Sachverständige werden gehört. Vorerst sind sechs Prozesstage angesetzt. (Walter Müller, 22.02.2016)