Es sind Donnerschläge, die man im Bauch spürt, Kracher, die das Zwerchfell schwingen lassen. Nicht unangenehm, nur unfassbar laut und von enormer Wucht. Wie zehnmal Silvester im selben Moment. Es sind Schläge, die einem Rhythmus folgen, sogar eine Melodie haben: wohldosiertes Bersten von 120-Kilo-Böllern, das die Fensterscheiben der Umgebung so zum Wackeln bringen, dass haarscharf nichts kaputtgeht. Dabei riecht es, als ob sich einen Moment lang die Pforte zur Hölle geöffnet hat: nach Schwefel und nach Verbranntem.

Haushohe Figuren aus Pappmaché: Falla in der Alstadt von Dénia an der Costa Blanca.
Foto: Helge Sobik

Was da auf der Plaza Jaume I. in Dénia an der Costa Blanca an diesem frühlingshaften Abend lange nach Einbruch der Dunkelheit geschieht, ist eine Aneinander reihung von Explosionen, die als Konzert angekündigt wurde, als Masclèta. Eine Aufführung, die mit Applaus und Gejohle von ein paar Tausend Zuschauern endet, die sich anschließend auf die Bars der Altstadt und die Restaurants der Hafenpromenade verteilen oder zwischen Kirtagstandln flanieren und fettiges Churro-Gebäck mit Puderzucker verputzen.

Regionales Erbe

Masclètas gehören untrennbar zu den Fallas, die jedes Jahr vom 15. bis zum 19. März stattfinden. Die Fallas sind eine Festwoche, die es nur im Großraum Valencia gibt und die über die 90 Kilometer entfernt gelegene Küstenstadt Dénia und den Binnenort Pego hinaus nie Einzug in spanisches Brauchtum gefunden hat.

Zurückgehen soll sie auf die Angewohnheit der Zimmerer, zum Ende des Winters Kerzengestelle aus ihren Werkstätten auf der Straße zu verbrennen. Es dauerte nicht lange, bis Nachbarn sich daran beteiligten, die Gestelle mit Stoffresten dekorierten und die Scheiterhaufen um Strohpuppen ergänzten. Irgendwann einigte man sich darauf, all das zeitgleich in der Nacht vom 19. auf den 20. März anzuzünden, in der Nacht von San José, dem Schutzheiligen der Zimmerer. Schließlich ist ein archaisches Feuerfest daraus geworden – und geblieben.

In Tracht unterwegs: "Falleras" in den Straßen der valencianischen Hinterland-Ortschaft Pego.
Foto: Helge Sobik

Dokumentiert sind Fallas erstmals im 18. Jahrhundert. Längst wurden aus den Strohpuppen von einst haushohe und bis ins Detail in monatelanger Arbeit ausstaffierte Großskulpturen aus Pappmaché, aus Holz, Kork, Draht, Styropor und viel Leim. Die größten sind bis zu zehn Tonnen schwer, die aufwendigsten in Dénia um die 100.000, in Valencia bis zur Wirtschaftskrise sogar 900.000 Euro teuer. Inzwischen kommt man mit der Hälfte aus.

Kleine und große Skandale

Auf den Fallas werden ähnliche Figuren eingesetzt wie auf den deutschen oder brasilianischen Karnevalswagen: Sie überzeichnen, sind ironisch, sarkastisch und greifen Zustände kritisch auf. Themen sind die Verschwendungssucht der hiesigen Politiker, das Tief der spanischen Fußball-Nationalmannschaft, die Skandale der Königsfamilie oder auch nur das übergroße Ego eines Dorfbürgermeisters.

Mit Böllern, Raketen und Heulern gespickt und mit Spiritus übergossen: Höhepunkt des Festes ist die Verbrennung der Skulpturen, die derart präpariert blitzschnell ein Raub der Flammen werden.
Foto: Helge Sobik

"Eine solche Figur zu entwerfen ist eigentlich gar keine Arbeit, sondern ein Lebensstil", philosophiert Rafael Cheli aus Dénia. Künstler wie er oder Pere Baena aus Gandia leben fast ausschließlich davon, Falla-Figuren zu entwerfen und zu bauen. Sie werden von den Gemeinden, mehr noch von den vielen lokalen Vereinen beauftragt und bezahlt. Die wie-der um finanzieren sich vor allem über Spenden und aus den Erlösen selbst organisierter Stadtteilfeste zu allen Jahreszeiten.

Wie man dort Mitglied werden kann? Joan Pons vom größten Falla-Verein in Pego grinst und streckt die Hand aus: "Schlag ein, und du gehörst dazu." So einfach ist das auf dem Land. (Helge Sobik, 25.2.2016)