Wer sich mit Produzenten weltweit matchen muss, hat oft schlechte Karten. Milchseen, Butterberge, Schweinezyklen, alles schon da gewesen. Wer Nischen findet, tut sich wesentlich leichter.

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Wien – Der Bauernbund schlägt Alarm: Durch die Russland-Sanktionen der EU seien Milch- wie Schweinemarkt völlig außer Kontrolle geraten. Geschätzte 100 Millionen Euro Schaden sollen den heimischen Produzenten dadurch entstanden sein. Bauernbund-Präsident Jakob Auer schließt sich deshalb der deutschen Forderung nach einem EU-Hilfspaket an.

Konkret geht es um Stützungsgelder, damit die Landwirte ihre Erzeugnisse nicht unter Wert verkaufen müssen. Damit soll Ware vom Markt genommen werden, um das Angebot zu verknappen. Bauern sollen Entschädigungen dafür erhalten, dass sie ihre Ware verschenken, statt sie zu verkaufen, oder sie gar nicht erst ernten. Entsprechende Maßnahmen gab es für Obst- und Gemüsebauern 2014. Im Herbst 2015 folgte ein EU-Paket für die Milch- und Schweinebauern von 500 Millionen Euro, von dem Österreich mit sieben Millionen profitierte.

Suche nach Liquidität

"Die EU darf die Bäuerinnen und Bauern nicht im Stich lassen. Brüssel muss jetzt Hilfe für die embargogeplagten Milch- und Schweinebauern bereitstellen", betont Auer. Der Bauernbund-Chef unterstreicht, dass dieses Hilfspaket den betroffenen 35.000 heimischen Milchbauern und 25.000 Schweinebauern vor allem wieder Liquidität bringen soll: "Mit den momentanen Preisen lassen sich keine Deckungsbeiträge mehr erwirtschaften."

Franz Sinabell, Agrarexperte beim Wirtschaftsforschungsinstitut Wifo, hält eine solche Maßnahme allenfalls für ein Trostpflaster. "Für Obst- und Gemüsebauern war das damals die richtige Hilfe, weil die Produzenten ja ihre Produktionsmenge nicht kurzfristig verknappen können", sagt er dem STANDARD. Anders sieht es nach Sinabells Dafürhalten bei Schweine- und Milchbauern aus. "Die Milchbauern können ihre Produktionsmenge durch Kraftfuttergabe kurzfristig steuern, und die heimischen Schweinemäster müssen wohl entscheiden, ob sie das Risiko eingehen können und den Schweinezyklus durchhalten. Diese Entscheidung kann ihnen wohl niemand abnehmen."

Verschärfter Konzentrationsprozess

Johannes Mayr von der Keyquest Marktforschung, selbst Biobauer im Nebenerwerb, geht davon aus, dass die Weltmarktlage zu einem weiteren scharfen Konzentrationsprozess und Strukturwandel bei den heimischen Bauern führt. Die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe, so seine Einschätzung, könnte in Österreich bis 2025 um ein Fünftel auf 132.000 sinken. Sollte das niedrige Preisniveau bei Milch und Schweinefleisch anhalten, könnte sich der Strukturwandel sogar verschärfen, befürchtet Mayr. Die Produktionsmenge sei in Österreich konstant. Allerdings werde sie von immer weniger Bauern erzeugt. "Anders wäre es angesichts der Preisentwicklung wirtschaftlich nicht möglich", so Mayr. "Viele wollen aufgeben."

Tatsächlich hält auch Wifo-Experte Sinabell die Situation vieler Bauern für "extrem bedrückend". Die Einkommen seien in den vergangenen vier Jahren konstant gesunken. Auch das allgemein schlechte wirtschaftliche Umfeld trage sein Scherflein bei. "Allerdings wird sich die Entwicklung, die ohnedies seit rund zehn Jahren im Gang ist, fortsetzen. Wir haben zwei Prozent Betriebsschließungen pro Jahr."

Wobei es auch vom regionalen Arbeitsmarkt abhänge, ob die Menschen Ausweichmöglichkeiten auf andere Jobs hätten. Die Lösung für die heimischen Betriebe sieht Sinabell allerdings weniger in Hilfspaketen als in Nischenangeboten. Das sieht auch Andreas Geisler von der Arge Heumilch so. Der Salzburger Verein gründete sich 2004, als die Lage vergleichsweise brenzlig war. Vermarktet wird eine hochqualitative Milch von Kühen, die nur mit Heu und nicht mit Siloware gefüttert werden. "Die Leute sind bereit, das zu bezahlen", sagt Geisler.

Abkoppeln vom Weltmarkt

Insgesamt sind es hierzulande nicht mehr als zehn Prozent der Betriebe, die sich durch entsprechende Angebote von den Weltmarktpreisen abkoppeln können, sagt Wifo-Experte Sinabell. Etwa weil sie neben besonderen Produkten auch Dienstleistungen wie Urlaub am Bauernhof anbieten.

Auch die heimischen Biobauern – rund ein Fünftel der landwirtschaftlichen Fläche wird ökologisch bewirtschaftet – treffen die Weltmarktpreise, so Sinabell: "Während es für die konventionellen Bauern vom Erdgeschoß in den Keller geht, geht es für die Biobauern vom dritten in den ersten Stock." So schnell werde die Marktsituation sich auch nicht entspannen, warnt Sinabell.

Die kleinteilige Struktur der Betriebe hält der Wifo-Mann für kein Problem: "Sie sind durch Erwerbskombination recht profitabel." Nicht wenige begreifen die Krise zudem als Chance. "Im Umkreis von Städten entstehen auch neue Betriebe mit völlig neuen Angeboten", sagt Sinabell. Etwa Bienenzüchter mit pädagogischem Zusatzangebot, Eisproduzenten mit Lifestyle-Touch, Biobauern, die aus den eigenen Wiesenkräutern Limonade zaubern, und Betriebe, die ihre Produkte via Catering als Dienstleistung an die Kunden bringen. Durchaus mit Erfolg. (Regina Bruckner, 23.2.2016)