
Einkaufen am Bauernmarkt statt im Supermarkt: Weniger Auswahl, dafür frischere Ware. Die Entscheidung liegt bei den Konsumenten.
"Nahrungsmittel sind viel zu billig" ist die auf ersten Blick provokante Erkenntnis des Agrarökonomen und Trägers des alternativen Nobelpreises Hans Herren. Denn aufgrund der niedrigen Preise komme es zu Verschwendung und nachhaltig erzeugte Produkte hätten es schwer, sich durchzusetzen. In Entwicklungsländern geht viel bei der Produktion verloren, in Industrieländern bei Vertrieb und Haushalten.
Herren glaubt auch, dass die aktuellen Preise nicht die ganzen Kosten widerspiegeln. Wenn man die "wahren Kosten" erfassen würde, inklusive Klimaschäden, Bodenverschlechterung und Gesundheitsfolgen, dann wäre heute schon nachhaltig produziertes Essen günstiger als industriell erzeugtes: "Wir kaufen im Supermarkt billig ein, aber für Umwelt und Gesundheit zahlt dann die Gemeinschaft", kritisierte Herren. Landwirtschafts- und Umweltminister Andrä Rupprechter erinnerte im gemeinsamen Gespräch an den Leitspruch der Wintertagung: "Billig gibt's nicht".
Herren und Rupprechter sehen das Dogma des permanenten Wachstums der Produktion sehr kritisch. "Schon Wachstum, aber nicht dieses" meint Rupprechter: "Es geht um Ressourceneffizienz. Das wird das wichtigste Thema der nächsten zwei Jahrzehnte."
Nicht mehr, sondern besser
Von Umverteilung wolle er nicht reden, denn das klinge so, als ob jemand zugunsten anderer auf seinen Wohlstand verzichten müsse. In Wahrheit gehe es darum, den eigenen Wohlstand zu erhalten und zugleich anderen Menschen die Teilhabe an diesem zu ermöglichen. Grundsätzlich müsse die Landwirtschaft auch nicht ihre Produktion erhöhen, denn die Welt erzeuge jetzt schon doppelt so viele Nahrungsmittel – gemessen an den Kalorien – wie benötigt, rechnete Herren vor.
Für Herren geht das etwa durch die Einführung regional angepasster moderner – und ökologischer – Produktionsmethoden in der Landwirtschaft. Damit könne man häufig rasch eine Verdreifachung der Ernte erreichen und damit Umwelt und Ressourcen schonen.
Es sei zum Beispiel erstaunlich, dass immer noch Bauern mit dem Pflug arbeiten, obwohl man heute wisse, dass das Aufbrechen des Bodens für Mikroorganismen wie auch für die Umwelt schlecht ist. In Österreich arbeiten inzwischen bis zu 30 Prozent der Bauern "minimalinvasiv", schätzt Rupprechter. Weltweit wäre das Potenzial aber noch groß.
Gesund für Mensch und Boden
Ziel müsse es sein, dass der Boden nach dem Produktionszyklus besser da steht als davor, so Herren. Je mehr Humus, desto mehr CO2 aus der Luft werde gebunden. Aber der Weg dorthin führe einerseits über die Umstellung von Gewohnheiten, was Schulung und Ausbildung verlangt, andererseits über Investitionen in andere Maschinen. Gelinge aber die Umstellung, dann sei die Landwirtschaft weniger abhängig von Wetterschwankungen und könne einen konstanteren Ertrag liefern.
Gerade in Afrika gebe es derzeit eine "enorme Fehlinvestition" aufgrund des "missionarischen Ansatzes der US-Agrarpolitik", so Rupprechter. Die Amerikaner arbeiteten nach dem Motto "wir ernähren die Welt" und setzen voll auf US-Gentechnik, aber das "ist sicher ein Irrweg" ist sich Rupprechter mit Herren einig.
Dazu komme der Landverkauf an chinesische Großfirmen, die von Afrika aus die chinesische Bevölkerung ernähren wollen. Dabei habe Afrika als Kontinent sicher das Potenzial, die Bevölkerung zu ernähren. Setzte man hingegen auf lokale, an die regionalen Bedingungen angepasste Produktion, könnte sich Afrikas Bevölkerung rasch selbst ernähren. (APA, 22.2.2016)