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Flüchtlinge am Grenzübergang Spielfeld in der Steiermark.

Foto: REUTERS/Leonhard Foeger

Brüssel/Wien/Berlin – Österreich müsse alle Flüchtlinge, die auf der Balkanroute an die Grenze kommen und einen Asylantrag stellen, ohne Einschränkungen aufnehmen, auch wenn das tausende pro Tag sind: "Solange es keine Lösung in Griechenland gibt, kann Österreich seine Grenzen nicht schließen, die Regierung darf sie auch nicht nach Deutschland durchwinken."

Das ist nach Information des STANDARD die Position der Europäischen Kommission in Brüssel im Zusammenhang mit den Drohungen des deutschen Innenministers Thomas de Maizière (CDU). "Wenn jedes Land jetzt beginnt, seine Grenzen zu schließen, gibt es bald eine humanitäre Katastrophe auf dem Balkan und in Griechenland", heißt es in Brüssel. Man bekräftigt die Erklärungen von Innenkommissar Dimitris Avramopoulos, die er vergangene Woche kurz vor dem EU-Gipfel, wie berichtet, an Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (VP) geschrieben hatte.

Darin stellte Avramopoulos fest, dass weder das Durchschleusen von Asylwerbern in ein anderes Land, in das sie wollen, noch die Einführung von Obergrenzen für Flüchtlinge mit den geltenden Regeln der EU wie internationalen Konventionen vereinbar sei. "Die Flüchtlinge müssen in Österreich bleiben", wird in der Kommission kolportiert.

Maximal 80 Anträge täglich

Die Bundesregierung hat vergangene Woche festgelegt, dass pro Tag maximal 80 Flüchtlinge einen Asylantrag stellen dürfen und maximal 3200 nach Deutschland weiterreisen können. Solches "Durchwinken" war bisher mit dem deutschen Innenminister und den Behörden abgestimmt, ohne Obergrenzen. Sonntagabend sorgte de Maizière dann jedoch für Aufregung, weil er – im Gegensatz zur EU-Kommission – befand, dass die von Österreich definierte Durchlassquote "viel zu hoch" sei. Er drohte Österreich "Konsequenzen" an, will das beim EU-Ministerrat am Donnerstag zur Sprache bringen.

Die Kommission will sich zu den Erklärungen de Maizières nicht äußern, das sei Sache Deutschlands. Auf die Frage, ob das in der Praxis bedeute, dass pro Tag unter Umständen Tausende Flüchtlinge in Österreich um Asyl ansuchen könnten, verweist man auf die geltende Rechtslage, wie sie Avramopoulos beschrieben habe: "Die Flüchtlinge müssen in Österreich bleiben."

Das alles werde soeben einer juristischen Prüfung unterzogen. Die Bundesregierung sieht die Rechtslage anders und beharrt auf Obergrenzen, wie Bundeskanzler Werner Faymann beim EU-Gipfel nach einem Gespräch mit Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker erklärte hatte.

Wien kritisiert Berlin

Mikl-Leitner wies die neuerliche Kritik zurück und betonte, dass Deutschland völlig unterschiedliche Signale aussende. Berlin könne nicht den Griechen weiter eine Politik der offenen Grenzen zusichern und gleichzeitig von Österreich verlangen, alle aufzuhalten, die nach Deutschland wollen. "Es muss schon klar gesagt werden: Das Durchwinken beginnt in Griechenland. Und wird weiter fortgesetzt bis zur österreichischen Grenze. Diese Praxis sollte tatsächlich so schnell wie möglich beendet werden. Dann muss Österreich auch keine Grenzzäune errichten", so Mikl-Leitner.

Unterschiedliche Signale gibt es in Deutschland auch innerhalb der CDU. Die beiden Spitzenkandidaten für die Landtagswahlen am 13. März, Julia Klöckner (Rheinland-Pfalz) und Guido Wolf (Baden-Württemberg) nehmen Österreich zum Vorbild und fordern auch Tageskontingente für Deutschland. Sie gehen damit auf Distanz zur deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel.

Doch deren Flüchtlingskoordinator und Chef des Kanzleramtes, Peter Altmaier (CDU), hält nichts von den österreichischen Tageskontingenten. Dies sei eine "technische Frage", die "heute und morgen nicht auf der Tagesordnung steht", sagte er.

Noch deutlichere Ablehnung kommt vom CDU-Chef von Nordrhein-Westfalen, Armin Laschet, der – wie Klöckner – zu den Stellvertretern Merkels in der Bundes-CDU zählt: "Wer im Alleingang Binnengrenzen schließt, verschiebt das Problem auf andere Länder. So löst man neue Krisen aus, die uns auch wieder belasten können. Deshalb helfen einseitige Maßnahmen nicht." Die Vorgehensweise Österreichs nennt er "europarechtswidrig" und eine "billige Durchwinkpolitik".

Merkel verurteilt

Die deutsche Regierung hat die fremdenfeindlichen Proteste vor einer Flüchtlingsunterkunft im sächsischen Clausnitz als zutiefst beschämend verurteilt. Regierungssprecher Steffen Seibert sagte am Montag, es sei kaltherzig, ankommende Flüchtlinge, darunter viele Frauen und Kinder, grölend und pöbelnd anzufeinden. Für die ganze "schwarz-rote" Bundesregierung gelte: "Unser Land ist anders. Unser Land weiß, dass es im Kern um Menschen in Not geht. Sie behandeln wir mit Anstand und Mitgefühl." (Thomas Mayer, Birgit Baumann, 22.2.2016)