Eine Dicke spielt Medea, das Gretchen ist zugleich der Mephisto, und die Emanzipation – sie ist schon vorbei: Die vierte Ausgabe des Internationalen Figurentheaterfestivals im Wiener Kosmostheater hat einige Überraschungen auf Lager. Schauspielerin und künstlerische Leiterin Cordula Nossek fokussiert unter dem Motto Madonnen, Mütter, Mätressen unbequeme bis unangenehme Frauenfiguren der Dramenliteratur.
Die Stücktitel klingen verheißungsvoll: In Frauen lügen aus ihrem Leben haben das Materialtheater Stuttgart und das Théâtre Octobre Bruxelles bitter-süße Geschichten und Lieder aus der Welt der Post-Emanzipation verpackt. Das Stück über Lebenslügen zu Fragen der Gleichstellung macht am 25. Februar den Auftakt. Faust. Wer hat Angst vor Gretchen? am 26. 2. ist dann ein Menschen- und Puppentheater der deutsch-österreichischen Gruppe Dachtheater, in dem sich eine Schauspielerin die Rollen von Gretchen und Mephisto teilt.
Medea, die Rachefigur aus Euripides antikem Drama, ist Erzählerin in dem Masken- und Objekttheater Die Dicke – spielt Medea. Julia Raab erzählt als imposante Obdachlose von (ihren) familiären Schrecknissen.
Um zwei in Brutalität und Kaltblütigkeit verwandte Figuren dreht sich der Abschlusstag: In Dictator’s Mom (in englischer Sprache) nimmt sich die israelische Theatermacherin Michal Svironi der Mutter Ubu an, die als Travestie einer Lady Macbeth lesbar ist. Diese wird von Frau Franzi (Marika Reichhold) in bewährter Dialektform am Küchentisch hart in Szene gesetzt: "Des Tischtiachl is a Bluadwiesn". (afze, 22.2.2016)