Österreich befindet sich auf dem falschen Weg. Zumindest, wenn es nach dem italienischen Premier Matteo Renzo geht. "Ich bin mir bewusst, dass sich Österreich in einer schwierigen Situation befindet: Im vergangenen Jahr wurden dort mehr Asylanträge gestellt als bei uns, und Italien hat sieben Mal mehr Einwohner", erklärte Renzi am Montag in einem Gespräch mit der Auslandspresse in Rom. Doch auf diese Situation mit Obergrenzen oder gar einer Schließung der Grenzen zu reagieren, sei nicht die Lösung. Innerhalb der Europäischen Union müsse eine Strategie im Umgang mit der Flüchtlingskrise gefunden werden, die das Schengen-Abkommen nicht infrage stelle.
Besonders irritiert zeigte sich Renzi über die österreichischen Planungen zu Grenzsicherungsmaßnahmen am Brenner. Er könne dazu nur wiederholen, was er Österreichs Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) schon vorletzte Woche in Rom gesagt habe: "Eine Schließung des Brenners wäre absolut falsch – sowohl in der Substanz als auch symbolisch", betonte der italienische Premier. Der Brenner habe in diversen europäischen Kriegen eine Rolle gespielt, inzwischen sei er ein Symbol der europäischen Integration. "Es kann doch nicht sein, dass wir, während wir unten einen Riesentunnel graben, um Nord- und Südtirol miteinander zu verbinden, oben wieder Grenzzäune errichten. Das wäre ein Stich ins Herz der EU."
Lösungsvorschläge
Renzi hat im Wesentlichen zwei Lösungsvorschläge zum Umgang mit der Flüchtlingskrise. Erstens: In der EU müssen sich alle 28 Staaten solidarisch zeigen und nach Maßgabe ihrer Möglichkeiten Flüchtlinge aufnehmen. Den (vorwiegend osteuropäischen) Ländern, welche diese Solidarität verweigern, sollen Gelder aus den EU-Töpfen gestrichen werden. "Solidarität ist keine Einbahnstraße. Wer Geld will, muss sich auch zu den europäischen Idealen bekennen. Österreich, Italien und andere wenige EU-Länder können nicht allein die ganze Last tragen."
Zweitens: In den Herkunftsländern seien Bedingungen zu schaffen, dass die Menschen gar nicht erst in Boote stiegen. Die EU müsse diesen Ländern beistehen und Investitionen in Landwirtschaft und in Bildung ermöglichen.
Registrierung "lückenhaft"
Renzi ging auch auf den Vorwurf ein, wonach Italien die ankommenden Flüchtlinge kaum registriere und damit das Dublin-Abkommen umgehe. Der Premier gestand ein, dass die Registrierung "lückenhaft" erfolgt sei. Inzwischen sei man aber bei "hundert Prozent" angelangt. Wenn dem tatsächlich so wäre, würde sich die Brenner-Schließung von selbst erledigen: Jeder Flüchtling, der über Italien nach Österreich einreist, könnte umgehend wieder zurückgesendet werden. (Dominik Straub aus Rom, 22.2.2016)