Atari hoffte auf den Hype um "E. T.", doch die Aktien der Mutterfirma stürzten nach "enttäuschenden Verkaufszahlen" schnell ab.

Foto: Atari
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Es gilt für viele als "das" oder zumindest "eines" der schlechtesten Videospiele aller Zeiten. Manche sehen in ihm sogar den Auslöser für den Niedergang von Atari. Als Film war "E. T." erfolgreich, als Spiel ein Debakel. In der Hoffnung auf starke Verkäufe ließ Atari viel mehr Kopien herstellen, als man verkaufen konnte. Ein Teil des Bestandes wurde schließlich auf einer US-Mülldeponie verscharrt. Vor zwei Jahren wurden Spiele als Teil einer aufsehenerregenden Dokumentation wieder ausgegraben.

Doch wie kam es überhaupt dazu, dass "E. T." anno 1982 spielerisch unfertig auf den Markt geworfen wurde? Die BBC hat den verantwortlichen Programmierer Howard Scott Warshaw zur Entwicklung des Games interviewt.

Fünf Wochen Entwicklungszeit

Warshaw genoss damals hohes Ansehen bei Atari und hatte gerade die Umsetzung für "Indiana Jones: Jäger des verlorenen Schatzes" abgeschlossen. Der Spielemacher erinnert sich an einen Anruf des Atari-Chefs, der ihn fragte, ob er auch die Entwicklung von "E. T." übernehmen könnte. Warshaw sagte zu.

Abzüglich der zwei Wochen für die Herstellung der Cartridges für den Atari 2600 ergab sich also ein knappes Zeitfenster, kalkulierte der Programmierer. Schon am 1. September sollte das Game fertig sein, forderte der Firmenchef, um es rechtzeitig vor dem Weihnachtsgeschäft – und damit auch zur britischen Filmpremiere im Dezember – in den Handel bringen zu können. Damit blieben effektiv fünf Wochen, um das Spiel fertigzustellen. In den USA war "E. T." bereits im Juni in den Kinos angelaufen.

Spielberg wollte "Pac-Man"-Klon

36 Stunden später hatte Warshaw ein erstes Gamedesign umgesetzt und wurde zu einem schon vorab arrangierten Termin mit Steven Spielberg geflogen. Er präsentierte ihm seine Idee, den Außerirdischen Teile für den Bau seines intergalaktischen Telefons sammeln zu lassen, damit er "nach Hause telefonieren" könne.

Doch Spielberg gab sich unbeeindruckt: "Könntest du nicht etwas machen, das so ähnlich wie 'Pac-Man' ist?" Eine Äußerung, die Warshaw aus dem Munde seines Idols als persönliche Niederlage erlebte. Trotzdem überzeugte er den Filmemacher, dass ein "wegweisender Film ein wegweisendes Spiel" brauche.

"War das Härteste, an dem ich je gearbeitet habe"

Um sich die Zeit für den Arbeitsweg sparen zu können, installierte der Entwickler bald daheim einen eigenen Rechner. Ein eigener Vorgesetzter passte darauf auf, dass Warshaw zwischen Schlafen und Programmieren auch Essen zu sich nahm. "Es war das härteste (Projekt, Amm.), an dem ich jemals in meinem Leben gearbeitet habe", schildert er heute.

Atari ließ vier Millionen Kopien herstellen und soll fünf Millionen Dollar in die damals größte je gestartete Marketingkampagne für ein Videospiel gesteckt haben. Wochenlang wurde TV-Werbung ausgespielt, emsig schaltete man Anzeigen in Magazinen.

1,5 statt vier Millionen verkauft

Und der Verkaufsstart lief gut. Schnell kletterte "E. T." an die Spitze der Games-Charts. Doch bald verbreitete sich die Kunde, dass die Filmumsetzung dem Hype nicht gerecht wurde. Zu oft stürzten Spieler unerklärlich in Gruben, zu oft ergaben sich Problemsituationen, die sie frustriert aufgeben ließen.

Im Dezember verkündete Atari "enttäuschende Verkaufszahlen", was die Aktien der Mutterfirma Warner Communications abstürzen ließ. Auch andere Spielehersteller wurden mitgerissen. Nach Weihnachten begannen die ersten Händler, "E. T."-Kopien zu retournieren. Statt der erwarteten vier Millionen Stück wurden nur 1,5 Millionen verkauft. Im Jahr darauf sollte die ganze Branche von einer schweren Krise erfasst werden, die bis 1985 andauerte.

Dass sein Werk diese verursacht hätte, will Warshaw allerdings nicht gelten lassen. "Es ist zwar toll, wenn einem nachgesagt wird, dass man eine Milliarden-Dollar-Industrie mit acht Kilobytes an Code zu Fall gebracht hat. Aber die Wahrheit ist doch etwas komplizierter."

Kultstatus, einmal anders

Immerhin: Diese Episode der Games-Geschichte hat "E. T." auf seine eigene Art und Weise Kultstatus beschert. Wer das Spiel ausprobieren möchte, kann es auf Archive.org im Browser spielen. (gpi, 24.2.2016)