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Diese Satellitenaufnahme zeigt das schachbrettartige Muster, das durch Forstarbeiten entlang der Grenze der US-Bundesstaaten Idaho und Montana entstanden ist – zwischen Clearwater und den Bitterroot National Forests. Jedes dieser ein mal eine Meile (rund 1600 Meter) großen Quadrate wird zu einer anderen Zeit bearbeitet, wodurch sich Vegetationsunterschiede ergeben.

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Karlheinz Erb ist Professor an der Alpen-Adria-Universität.

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Wien – Während Geologen noch darüber streiten, ob der Mensch als Namensgeber des aktuellen Erdzeitalters fungieren sollte, hat ebendieses Anthropozän in anderen Disziplinen längst seinen Platz gefunden. In der Ökologie, der Landschaftsplanung oder den Kulturwissenschaften wird damit der Einsicht Rechnung getragen, dass der Mensch die Natur maßgeblich verändert. Es handelt sich nicht um einen einseitigen Einfluss, denn auch die Gesellschaft passt sich ihrerseits an ihre Umgebung an. So banal diese Erkenntnis scheint, umso erstaunlicher ist, dass dieses Wechselspiel erst vor zehn bis zwanzig Jahren so ganz in der Wissenschaft angekommen ist. In den frühen 2000er-Jahren hat sich nämlich die sogenannte Landsystemforschung als Disziplin formiert. Mitbeteiligt an deren Genese war der Südtiroler Ökologe Karlheinz Erb, der an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt am Standort Wien tätig ist.

Ernährung und Klima

Im Gegensatz zur vorausgehenden Landnutzungsforschung, die sich auf die Einflüsse des Menschen auf Naturparameter wie Kohlenstoffbestände konzentriert, steht in der Landsystemforschung deren Wechselwirkung im Vordergrund. In Erbs Forschung geht es darum, welche Auswirkungen die menschliche Landnutzung etwa auf den Klimawandel, die Ernährungssicherheit, aber auch die Biodiversität hat und inwieweit dies Auswirkungen auf gesellschaftliche Prozesse hat.

"Wenn man aus der Naturwissenschaft kommt, schaut man sich gar nicht so gerne an, welche Auswirkungen der Mensch auf die Umwelt hat, der wird eher als Störenfried angesehen, den man im Detail nicht genauer betrachten will", sagt Erb. Gerade beim Klimawandel zeigt sich die Wechselseitigkeit der Beziehung zwischen Mensch und Natur: Einerseits ist der Mensch Antriebskraft für erhöhte CO2-Werte und den Temperaturanstieg, andererseits passen sich die Menschen an die Veränderungen der Natur an.

In einem Projekt, das vom Europäischen Forschungsrat im Rahmen eines ERC Grant gefördert wird und das in einigen Monaten ausläuft, hat Erb die Zusammenhänge zwischen weltweiter Ernährungssicherheit und Landnutzungsintensität erforscht, wie intensiv also gewisse Flächen vom Menschen genutzt werden.

Zwei Pferdefüße

Dabei zeigt sich, dass die Intensivierung zwar den Vorteil hat, dass sich die Erträge pro Fläche erhöhen. So könnte man mehr Flächen unberührt lassen und trotzdem dieselbe Menge produzieren. "Gleichzeitig wissen wir, dass die Intensivierung der letzten 60 Jahre, die sehr stark auf der Landwirtschaft basiert, viele ökologische Probleme mit sich gebracht hat", sagt Erb: Dünger, Monokulturen, Eingriffe in die Biodiversität oder eine Zunahme an Emissionen.

Erb nennt ein Beispiel aus einer seiner Publikationen: Für den Zweck der Intensivierung hat sich in der Viehzucht in den vergangenen Jahrzehnten im Westen immer stärker Kraftfutter wie Soja, Weizen oder Getreide durchgesetzt, anstatt die Tiere mit Gras oder Heu zu füttern. Der Vorteil davon: Um einen Liter Milch zu produzieren, muss deutlich weniger Nahrung zugeführt werden. "Aus unserer Sicht hat diese Argumentation dennoch zwei Pferdefüße", sagt Erb: Dadurch, dass man etwas effizienter produziert, heißt das nicht, dass man weniger oder gleich viel davon konsumiert. Im Fachjargon spricht man vom "Rebound-Effekt": Indem etwas günstiger produziert wird, sinkt der Preis, wodurch der Absatz steigt. In Summe werden die Gewinne durch die Effizienzsteigerung wieder durch einen höheren Verbrauch wettgemacht.

Wenn Tiere Kraftfutter bekommen, ergibt sich weiters ein Konkurrenzproblem zwischen der Bereitstellung von Tierfutter und der von menschlicher Nahrung. Erb hat mit Kollegen ausgerechnet, was passieren würde, wenn die Viehzucht weltweit auf Kraftfutter verzichten würde. Eine der vielfältigen Folgen wäre, dass der Fleischkonsum teilweise um bis zu 50 Prozent eingeschränkt werden müsste. "Allerdings wäre das durch Anbau von Eiweißpflanzen leicht kompensierbar, und auch Umweltschäden und der Druck auf Wälder würden deutlich abnehmen", sagt Erb. Mitunter ist die Intensivierung nicht so einfach zu beurteilen: "Wenn man nur versucht, ein Kilogramm Fleisch effizienter zu produzieren, heißt das noch nicht, dass das System insgesamt effizienter wird."

Zunehmende Ausbeutung

Generell zeigt sich, dass die Intensivierung der Landnutzung stetig zunimmt – geschuldet der ökonomischen Profitmaximierung ebenso wie der Technisierung der Landwirtschaft. Dieser Trend ist unabhängig von politischen Systemen – das ergaben etwa Erbs vergleichende Landnutzungsstudien zwischen Ost- und Westdeutschland vor der Wiedervereinigung: Die Natur wurde in gleichem Maße ausgebeutet, egal ob eine kapitalistische Marktwirtschaft dahinterstand oder eine kommunistische Planwirtschaft.

Betrachtet man die Landnutzung in Europa in den vergangenen 20 Jahren, zeigt sich, dass sich scheinbar einiges zum Guten wendet, Wald zurückkehrt und der Druck auf die Flächen abnimmt. Doch es gibt ein großes Aber: "Wir haben herausgefunden, dass das nichts damit zu tun hat, dass die Europäer nun weniger konsumieren, sondern damit, dass sie viel Biomasse aus anderen Regionen beziehen, etwa billiges Soja aus Brasilien", sagt Erb. Es kommt zu einer Problemverschiebung: "Die Europäer richten es sich zu Hause, ihre Natur wird immer schöner, und dann importieren sie billige Biomasse, die anderswo zu Abholzung und Biodiversitätsverlust führt."

Könnte die Weltbevölkerung auch ernährt werden, ohne Land und Tiere auszubeuten? Forderungen nach einer nachhaltigeren Landwirtschaft wird immer wieder entgegnet, dass dadurch die Ernährungssicherheit gefährdet würde, wenn zum Beispiel in der Viehzucht alle Tiere freien Auslauf hätten. Aber stimmt das? Erb: "Eine Maßnahme wie freier Auslauf spielt eine absolut untergeordnete Rolle bei der Ernährungssicherheit." Massentierhaltung sei nicht notwendig, um Hungersnöte zu verhindern. "Es sind andere Gründe, warum Tiere nicht artgerecht gehalten werden – allen voran die ökonomische Profitorientierung." (Tanja Traxler, 28.2.2016)