Auf etlichen Inseln an der kanadischen Pazifikküste sind Waschbären zur Landplage geworden, nachdem dort Wölfe ausgerottet worden waren. Wie Experimente zeigen, lässt sich das "unökologische" Verhalten der Allesfresser eindämmen, wenn sie in Furcht vor ihren Feinden leben.

Foto: Shanna Baker / Hakai Magazine

Victoria/Wien – Das Zitat sorgte für heftige Reaktionen – und war dann angeblich aus dem Zusammenhang gerissen. Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter hatte bei einer Tagung im Pinzgau den Abschuss von Wölfen propagiert, denen auf Almen in der Gegend von Kaprun dutzende Schafe zum Opfer gefallen waren. Konkret soll Rupprechter laut den "Pinzgauer Nachrichten" gesagt haben: "Ich bin sogar bereit, selbst eine Jagdkarte zu lösen."

Die Aufregung bei Umweltorganisationen war groß, zumal der Abschuss von Wölfen eine illegale Aktion wäre. Rupprechters Zitat steht aber auch in einem sinnfälligen Zusammenhang, da er sich als Vorsitzender der Alpenkonvention dafür einsetzen will, dass Bären und Wölfe sich nicht weiter in den Alpen ausbreiten.

Kritiker halten dagegen, dass man nur die Schafe besser schützen müsse. Denn dann würden die großen Beutegreifer wieder das üppig vorhandene Reh-, Rot- und Gamswild jagen müssen, wodurch sich die durch Wildbiss verursachten Schäden im Wald verringern. Zudem würden sie als "Gesundheitspolizei" des Waldes kranke Wildtiere viel effizienter aus dem Bestand nehmen.

Eine neue Studie aus Kanada liefert einige weitere Argumente, die eher für die Anwesenheit der großen Raubtiere in Ökosystemen sprechen.

Auf den Gulf Islands im Süden von British Columbia sind Wölfe seit rund einem Jahrhundert so gut wie ausgestorben. Das hat zu einer enormen Ausbreitung von Waschbären geführt – mit unvorteilhaften Folgen für das gesamte Ökosystem. Die Tiere haben an Land die Singvogelpopulationen erheblich dezimiert. An der Küste gingen die Bestände von Krabben und Fischen zum Teil dramatisch zurück. Das wiederum hatte die Ausbreitung von diversen Invertebraten zur Folge, die den Krabben als Nahrung dienen.

Biologen um Justin Suraci, Dissertant an der Universität Victoria in Kanada, haben in der einsamen Region ein Experiment noch ganz ohne richtige Wölfe gestartet. Sie beschallten die Gegend einen Monat lang immer wieder mit Gebell von Hunden, die ebenfalls zu den Feinden der Waschbären gehören, und beobachteten, was passierte.

Video: Ein Waschbär reagiert beim nächtlichen Streifzug auf Hundegebell.
NPG Press

Für eine Ökologie der Angst

Die Folgen waren einigermaßen dramatisch und ökologisch durchwegs positiv, wie die Forscher im Fachblatt "Nature Communications" berichten: Aus Angst reduzierten die Waschbären ihre Beutezüge um zwei Drittel und labten sich unter anderem seltener an Krabben. Deren Bestände nahmen dafür je nach Art um bis zu 97 Prozent zu, während die von Krabben bejagten Kleintiere zurückgingen.

Für die Wissenschafter zeige das Experiment, dass die Anwesenheit der großen Beutegreifer – oder eben nur die Angst vor ihnen – sehr viel nachhaltigere und günstigere Effekte auf die gesamte Nahrungskette hat als bisher angenommen. Und damit auch auf das Ökosystem als Ganzes. (Klaus Taschwer, 23.2.2016)