Wien – Die Theorie klingt simpel: Weil die Menschen immer länger leben, sollen sie auch länger arbeiten – sonst wird das Pensionssystem unfinanzierbar. Doch in der Praxis können sich das viele nicht einfach aussuchen. Kaum mehr als die Hälfte der Personen, die im Vorjahr in Pension gingen, taten dies aus dem Erwerbsleben heraus.

Nachzulesen ist dies im neuen Pensionsmonitoring-Report des Sozialministeriums. Der dem STANDARD vorliegende Jahresbericht für 2015 weist nicht nur – wie bereits berichtet – ein steigendes Pensionsantrittsalter und eine sinkende Zahl neu angetretener Pensionen aus, sondern gibt auch Aufschluss über die Chancen älterer Menschen am Arbeitsmarkt.

56 Prozent vor Pension erwerbstätig

Der Anteil jener, die unmittelbar vor dem Pensionsantritt im Beruf standen, ist demnach leicht gesunken: 2014 gingen 56 Prozent aus der Erwerbstätigkeit heraus in Pension, im Vorjahr waren es nur mehr 54 Prozent. Ein gutes Fünftel (21 Prozent) kam aus der Arbeitslosigkeit, elf Prozent bezogen Krankengeld.

Klammert man die Invaliditätspensionen aus, sodass nur die Neuzugänge in eine Alterspension gerechnet werden, beträgt der Anteil der Erwerbstätigen 64 Prozent. Zwei Prozent erhielten vor dem Ruhestand Krankengeld, 18 Prozent waren arbeitslos. Für "bedenklich hoch" hält Christine Mayrhuber vom Wirtschaftsforschungsinstitut diesen Anteil und warnt davor, das Pensionsalter anzuheben, solange die Chancen für Ältere am Arbeitsmarkt nicht verbessert werden.

Expertin sieht Luft nach oben

Wo die Regierung ansetzen könnte, liest die Expertin ebenfalls aus dem Monitoringbericht heraus. Obwohl die Arbeitslosenquote in der Zielgruppe von 9,1 auf 9,7 Prozent gestiegen ist, bekamen 2015 nur drei Prozent aller Arbeitskräfte über 50 Jahre vom Arbeitsmarktservice eine Beschäftigungsförderung. Mayrhuber: "Da ist noch Luft nach oben."

Das gilt auch für die Beschäftigungsquoten der Älteren: Die von der Regierung für 2018 angepeilten Werte sind noch weit entfernt, im Fall der Frauen über sieben Prozentpunkte. Setze sich der Anstieg der letzten Jahre fort, könnten die Ziele aber knapp erreicht werden, heißt es im Report.

Antrittsalter bei 60 Jahren und zwei Monaten

Für übererfüllt hält das Sozialministerium ein anderes Ziel: Das durchschnittliche Pensionsantrittsalter stieg 2015 um 6,4 Monate auf 60 Jahre und zwei Monate. Der Bericht verschweigt dabei nicht, dass jene Leute aus der Statistik gefallen sind, die statt Invaliditätspension nun Rehabilitationsgeld beziehen. Das Plus ergibt sich aber nicht allein daraus, sondern auch aus anderen Reformen: Schließlich ist das Antrittsalter bei den Alterspensionen ebenfalls gestiegen, um gut vier Monate.

Unter den neuen Rehab-Fällen von 2015 stellen Frauen die Mehrheit, über 60 Prozent machen psychische Gründe geltend.

Die Chancen der Gruppe 55 plus, die zwölf Prozent der unselbstständig Beschäftigten in Betrieben ab 25 Mitarbeitern stellt, hängen stark vom Beruf ab. Schlusslicht ist die Telekombranche, in der vier Prozent über 55 Jahre alt sind. Aber auch Steuerberater (5,4 Prozent), Gastronomie (6,3 Prozent) und Einzelhandel (sieben Prozent), wo es keinen rasanten technologischen Wandel gibt, haben niedrige Altersquoten. Den höchsten Anteil gibt es mit über 20 Prozent bei Entsorgungsbetrieben, in der Fischerei und im Bergbau. (Gerald John, 24.2.2016)