Mit sechs Linien und 175 Kilometern Streckenlänge plant Riad das größte U-Bahn-Projekt der Welt. Siemens liefert die schlüsselfertige Gesamtanlage für zwei fahrerlose U-Bahn-Linien.

Foto: APA/SIEMENS AG/MARCUS SCHIEDER

Die von Siemens gefertigte erste U-Bahn für Riad auf einem undatierten Archivbild.

Foto: APA/SIEMENS AG/MARCUS SCHIEDER

Wien/München/Riad – Siemens baut in Österreich eine neue U-Bahn für die saudi-arabische Hauptstadt Riad. Den Wünschen der Auftraggeber entsprechend haben die Schienenfahrzeuge eine Besonderheit: Es gibt in den Zügen drei Klassen, die nach Geschlecht und sozialer Stellung getrennt sind. Das wurde beim Rollout des ersten Fahrzeugs am Dienstag in Wien-Simmering deutlich.

In der ersten Klasse an der Zugspitze werden auf den in Goldfarbe gehaltenen Sitzen fast ausschließlich Männer Platz nehmen. In Ausnahmefällen könnten auch "hochgestellte Frauen" First Class fahren, hieß es bei der Zugpräsentation. Die zweite Klasse in der Zugmitte sei die "Family Class", in der Frauen unter Begleitung eines Mannes, des Ehemanns oder eines Familienmitglieds sowie Kinder fahren werden. Ganz hinten folgt die "Single"- oder "Worker"-Klasse, in der alleinreisende Männer ohne hohe Stellung einsteigen sollen.

Mehr Stehplätze für Arbeiter

Während zwischen der First- und der Family-Class eine von den Fahrgästen bedienbare Glasschiebetür angebracht ist, wird die Tür zum Arbeiterabteil verschlossen. Sonst könnten die Männer die Tür öffnen und einen Blick auf die Frauen erhaschen, hieß es am Rande der Präsentation zur APA. In Notfällen wie einem Zugbrand könne die Tür jedoch geöffnet werden. Die Sitzabstände sind in der First Class am größten. Das Arbeiterabteil hat die gleichen silber-roten Sitze wie das Familienabteil, weist aber weniger Sitze und mehr Stehplätze auf.

Die Frage, ob Frauen in dem Land, das ihnen das Lenken eines Autos verbietet, das Steuer eines U-Bahn-Zugs übernehmen könnten, stellt sich nicht: Die Züge werden fahrerlos in Tunneln und auf hohen Gleisbauten quer durch Riad unterwegs sein. Umkehrungen der Züge in der Endstation sind ebenfalls nicht vorgesehen, somit werden bei der Hälfte der Fahrten die Letzten die Ersten sein.

In der Sechs-Millionen-Einwohner-Stadt Riad gibt es bisher keine U-Bahn. Mit dem Großauftrag, von dem Siemens einen Teil von 1,5 Milliarden Euro bekam, sollen nun sechs Linien mit 175 Kilometern Länge errichtet werden. Die Bauarbeiten hat der US-Konzern Bechtel mit Subunternehmern übernommen.

Starke Klimaanlagen

Die 74 Siemens-Züge vom Typ Inspiro werden in Österreich gefertigt. Die Drehgestelle kommen aus Graz, die Wagen werden in Wien-Simmering gebaut. Dabei wurde nicht nur auf die Gesellschaftsordnung im saudischen Königreich geachtet, sondern auch auf das Klima. Die Klimaanlagen sind besonders leistungsstark, die Dichtungen besonders gegen Sand gewappnet. Nach Tests in Deutschland werden die ersten Siemens-Züge Ende 2017 nach Saudi-Arabien geliefert.

Es handle sich um einen "sehr, sehr großen Auftrag" für die in Österreich angesiedelte Siemens-Sparte Nahverkehr, sagte deren Leiterin Sandra Gott-Karlbauer. Der Gesamtwert des Auftrags – Bauarbeiten, Technik, Züge, Stationen – mache rund 28 Milliarden Dollar (25,4 Milliarden Euro) aus, sagte Alwalid Alekrish, U-Bahn-Projektleiter der Arriyadh Development Authority. Die neue U-Bahn soll beim Umweltschutz helfen, die Infrastruktur verbessern, ein soziales Angebot sein und im Betrieb Arbeitsplätze schaffen. (APA, 23.2.2016)