Mode statt Maskulinismus: Ben Stiller und Owen Wilson als Männermodels in "Zoolander 2".

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Die Ereignisse der Kölner Silvesternacht sind in den vergangenen Wochen zahlreich beschrieben und bewertet worden. Im Ringen um die Deutungsmacht über das Geschehene ging es angesichts einer unübersichtlichen und widersprüchlichen Gemengelage zunächst einmal darum, sich ein klares Bild davon zu machen, was überhaupt geschehen ist. Aber sehr bald wurden grundsätzliche Dinge verhandelt: Rassismus und kultur- beziehungsweise religionsbedingte Frauenfeindlichkeit. Multikulturelle Gesellschaft und Abgrenzung. Integration und falsch verstandene Toleranz. Was darf noch gesagt werden und was nicht.

Hat der Feminismus die Liebe ruiniert?

Aber es gab noch ein anderes Thema, das etwas abseits dieser großen gesellschaftlichen Verwerfungslinien diskutiert wurde: Männlichkeit. Fremde Männlichkeit als die ungezähmte, viril-lüsterne Gefahr, die europäische Freiheiten und europäische Frauen bedroht. Das ist weder neu, noch wird es besonders kreativ in Szene gesetzt. Ob nun 2016 ein polnisches Magazin die angebliche "islamische Vergewaltigung Europas" durch dunkle Hände inszeniert, die nach einer weißen Frau in Europaflagge greifen, oder ob 1943 ein Plakat aus dem faschistischen Italien zeigt, wie einer weißen Frau durch einen schwarzen Mann Gewalt angetan wird, macht kaum einen Unterschied.

Es handelt sich dabei um das gleiche perfide Narrativ. Was sich jedoch über die Jahre immer mehr zugespitzt hat, ist die Debatte über die eigene Männlichkeit. Und daran kann, Sie ahnen es schon, wieder einmal nur der Feminismus schuld sein. Findet beispielsweise die "Bild"-Zeitung, wenn sie anlässlich des Valentinstags die Frage stellt, ob denn der Feminismus die Liebe kaputtgemacht habe. Denn er habe Frauen und Männer in ihrem Rollenverständnis und Miteinander so verunsichert, dass sie gar nicht mehr genau wüssten, wie sie aufeinander zugehen sollen. Feminismus soll aber auch ganz dezidiert daran schuld sein, dass wir gesellschaftlich nicht mehr wehrhaft genug sind. Dass Männer nicht mehr willens oder in der Lage sind zurückzuschlagen, wenn es darauf ankommt. Auch dieser Fragenkomplex wurde anhand von Köln aufgemacht: Wieso haben die anwesenden Männer nicht ihre Frauen verteidigt?

Warum waren die Nachrichten nicht voll von blutig geschlagenen Männergesichtern, die in ihren Zügen den Stolz über die siegreiche körperliche Auseinandersetzung und an ihren Händen die Reste von anderen Männergesichtern tragen? Verdammt, warum sind Kerle nicht mehr so wie Bruce Willis in "Stirb langsam"? Selbst barfuß und in Unterhemd noch in der Lage, andere zu verteidigen und den Bad Guys dabei den Arsch aufzureißen. Ein Typ also, der anderen Typen klarmacht, dass sie sich mit dem Falschen angelegt haben. So einen hätten wir vor dem Kölner Hauptbahnhof gebraucht. Ein paar von denen hätten da schon für Ordnung gesorgt. Aber nein, der Feminismus hat Männer ja zu weinerlichen Mimöschen gemacht.

"Eier. Wir brauchen Eier!"

Solche Ansichten werden heutzutage nicht nur in den Köpfen von Pegida-AnhängerInnen bewegt, sondern beschäftigen inzwischen die Mitte der Gesellschaft, die sie zwar nicht offen auf der Agenda hat, dafür aber in Griffweite in der "Seien wir doch mal ehrlich!"-Schublade. Diese Schublade quillt über vor Vorstellungen darüber, dass es gar keine "richtigen Männer" mehr gibt, die beschützen können und dürfen – und wenn es sie noch gibt, werden sie nicht mehr wertgeschätzt. An der Schublade klebt ein Haftzettel mit der Aufschrift "Eier. Wir brauchen Eier!". Und wenn uns der gesellschaftliche Kragen platzt, weil wieder irgendetwas Schreckliches passiert ist, dann reißen wir sie wütend auf und finden, mit ihrem Inhalt hätte man die Probleme wenigstens richtig anpacken können.

Aber so einfach ist das nicht. Hegemoniale Männlichkeit ist unteilbar. Sie lässt sich nicht auf partielle Durchsetzungsfähigkeit beschränken. Wer sie auffordert, in den richtigen Momenten zu beschützen, der lädt sie zugleich dazu ein, in den falschen zuzuschlagen. Wer Gefahrenabwehr als männlich begreift, muss damit rechnen, dass Unschuldige verteidigen sich genauso männlich anfühlt wie Unterkünfte für Geflüchtete anzünden. Statt also darauf zu hoffen, dass ein mit einer Gewaltvollmacht ausgestattetes männliches Geschlecht nur die Handlungsaufträge annimmt, die wir für richtig halten, sollten wir dazu kommen, gesamtgesellschaftlich aktiv zu werden und Verantwortung zu übernehmen. Damit niemand, wirklich niemand sich dadurch in seiner Geschlechtsidentität bestätigt fühlt, dass er Gewalt gegen andere einsetzt. (Nils Pickert, 25.2.2016)