In die Studie flossen ebenso Daten von Australopithecus-Dame "Lucy"...

Foto: David Hocking

... wie von diesem Homo ergaster aus Kenia ein.

Foto: David Hocking

Melbourne/Wien – Zahnfunde sind in der Paläoanthropologie nicht selten: Das Gebiss besteht aus den härtesten Materialien des menschlichen Körpers und übersteht daher noch am ehesten jahrtausendelange Abbauprozesse. Gleichzeitig geben Zähne auch Aufschluss über die Ernährungsweise und selbst die Kindheitsentwicklung eines Individuums: Ähnlich wie Jahresringe an Bäumen gibt es Wachstumslinien, die dem geschulten Auge Entwicklungszeit, nahrungsarme Phasen und Krankheiten anzeigen.

Weil Zähne ihre Form stärker beibehalten als Knochen, sind sie auch ein gutes Maß für genetische Veränderungen im Laufe der Evolution. Diese Tatsache brachte den Biologen Alistair Evans auf die Idee, ein Modell zu entwickeln, wie man Gebissmuster vorhersagen könnte. 2007 veröffentlichte er im Fachmagazin "Nature" die Methode, mit der er die Größe eines Backenzahns bei Mäusen vorhersagen konnte.

Backenzahn-Größen beeinflussen sich

Wie es jetzt wiederum in "Nature" heißt, war eine internationale Forschungsgruppe um Evans in der Lage, das Modell auf den Menschen zu übertragen. Die relativ simple Regel besagt, dass die Größe eines Backenzahns die Größe seines Nachbarzahns beeinflusst. "Unsere neue Studie zeigt, dass das Muster sehr viel einfacher ist, als wir zunächst angenommen hatten – die menschliche Evolution war wesentlich begrenzter", so Evans, der an der australischen Monash Universität arbeitet. Damit wären bisherigen Annahmen widerlegt, die davon ausgingen, dass es bei der Evolution der Zähne unserer nächsten Verwandten große Unterschiede gab.

"Wirklich aufregend ist, dass diese einfache Regel uns dabei helfen kann, die Größe fehlender Zähne bei einem Fossilfund vorauszusagen", sagt Evans. Ein Beispiel ist der frühe Hominine Ardipithecus, dessen zweiter Milchbackenzahn nie gefunden wurde. Durch die neue Methode könne verlässlich geschätzt werden, wie groß er war.

Ausgehend von einem isolierten Zahn (weiß) konnten durch das Modell die Größen der übrigen Backenzähne (hier die des robusten Australopithecus Paranthropus boisei) vorhergesagt werden.
Foto: Alistair Evans, Matt Skinner, Kierstin Catlett, E. Susanne Daly

Homo oder Australopithecus?

Ein weiteres bemerkenswertes Ergebnis: Die Gattungen Homo und Australopithecus folgen zwar beide der Regel, jedoch auf verschiedene Art und Weise. Dies könnte ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal der beiden Gruppen ergeben, das bei der Einordnung umstrittener Arten hilft. Homo habilis etwa, der "geschickte Mensch", gilt mit seinem relativ modern aussehenden Daumen als eine der ersten Arten unserer Gattung. Evans und seine Kollegen überprüften die ihm zugeordneten Funde mit ihrem Modell und fanden heraus, dass die Kritiker recht haben könnten: Das Habilis-Gebiss folgt eher der Regel der Australopithecinen.

Demnächst dürfte sich auch die im vergangenen Jahr beschriebene neue Art des Homo naledi dem "Test" unterziehen lassen, da sie ebenfalls eine Merkmalskombination zwischen Homo und Australopithecus aufweist. Der jüngst wieder diskutierte "Hobbit" Homo floresiensis, der sich sich besonders in Bezug auf seine Größe von anderen Homininen unterscheidet, wurde bereits analysiert. Seine Zähne sind rund 40 Prozent kleiner als die anderer Homo-Arten und ähneln von den Proportionen her am ehesten denen von Homo erectus und Homo heidelbergensis. (Julia Sica, 24.02.2016)