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Die Stimmung kann an den Börsen schnell kippen, was nach Jahresbeginn zu schmerzhaften Kursrückgängen geführt hat.

Foto: Richard Drew

Wien – Auf den schlechtesten Jahresstart an den Börsen seit langem folgte eine relativ dynamische Erholung, die zumindest einen Teil der Verluste wieder gutmachen konnte. Dennoch bleibt die Verunsicherung unter den Investoren groß. Ist das Schlimmste überstanden, oder setzt sich der seit April des Vorjahres vorherrschende Abwärtstrend fort, lautet die Frage auf den Börsenparketts.

Kursfristig ist für Private-Banking-Chefanalystin Monika Rosen von der Bank Austria die Antwort beim Ölpreis zu suchen, der seit Dezember mit dem S&P-500-Index im Gleichschritt abgerutscht ist. "Eine hohe Korrelation zwischen Aktien und Öl ist eigentlich widersinnig." Dennoch werde der Markt durch das Ölpreistief von einem "asymmetrischen Schock" belastet: Während die Ölbranche und auch die finanzierenden Banken schwer getroffen würden, sollte die US-Wirtschaft mehrheitlich vom billigen Öl profitieren. "Eine Stabilisierung des Ölpreises wäre wichtig, um diese Sorge aus dem Markt zu nehmen."

Rezessionsängste übertrieben

Zudem verweist Rosen auf die derzeit extrem negative Marktstimmung: "Wir sind fast auf den Tiefs von 2008 und 2009. Das erscheint mir aufgrund der Datenlage übertrieben." Mit dieser Einschätzung liegt sie auf einer Linie mit Anja Hochberg, Chief Investment Officer der Credit Suisse, die das jüngste Kurstief für übertrieben hält: "Am Markt herrscht systematische Angst, die aus unserer Sicht nicht gerechtfertigt ist."

Rezessionssorgen hält Hochberg jedenfalls für überzogen, ebenso wie die meisten Ökonomen. Aktuell liegt die Konsensusschätzung für das heurige US-Wachstum bei 2,4 Prozent, für die Eurozone werden 1,7 Prozent prognostiziert. Aufgrund der jüngsten Turbulenzen erwartet die Credit-Suisse-Expertin jedoch, dass im März die EZB geldpolitisch ein Schäuferl nachlegen und die US-Notenbank Fed von einer weiteren Zinserhöhung absehen wird. Dennoch geht sie von zwei Zinsschrittchen im Jahresverlauf auf ein US-Leitzinsniveau von 0,75 bis ein Prozent aus.

Europa aussichtsreicher

Zwar geben weder Rosen noch Hochberg endgültige Entwarnung und raten, die Charttechnik im Auge zu behalten, sehen aber grundsätzlich keine Gründe, die gegen einen langfristigen Einstieg an den Aktienmärkten sprechen. Dabei sollten laut Hochberg Europas Börsen wegen ihres Aufholpotenzials übergewichtet werden, die Wiener Börse inklusive: "Wir glauben nicht, dass es eine totale Abkoppelung vom Rest Europas geben wird. Wenn wir positiv für Europa sind, schließt das Österreich mit ein."

Lukas Stipkovich, Leiter der Vermögensverwaltung der Valartis Bank, stimmt die Anleger darauf ein, dass künftig grundsätzlich kleinere Brötchen gebacken werden: "Wir werden uns auf strukturell geringeres Wachstum einstellen müssen", meint er unter Verweis auf ungünstige demografische Entwicklungen in vielen Regionen. Auch würden die hohe Volatilität und die Unsicherheit am Markt noch etwas anhalten. Allerdings sei das kein Grund, der gegen einen Einstieg – bevorzugt in europäische Qualitätstitel – spreche: "Man sollte Aktien kaufen, wenn sie sonst keiner haben will", empfiehlt Stipkovich langfristig denkenden Anlegern.

China im Auge behalten

Er rät aber, China, wo er trotz Problemen heuer fünf bis sechs Prozent Wachstum sieht, im Auge zu behalten. "Das Zünglein an der Waage, wie es in den nächsten Jahren weitergeht, ist in den Schwellenländern zu suchen", meint Hochberg, die für China langfristig positiv gestimmt ist.

Die jüngsten Kurseinbrüche an den Börsen Chinas haben für Bank-Austria-Analystin Rosen mehr psychologische denn realwirtschaftliche Auswirkungen. Den Behörden in Peking empfiehlt sie grundsätzlich mehr Gelassenheit im Umgang mit Finanzmärkten: "Sie sollten akzeptieren, dass man in einer Marktwirtschaft nicht alles kontrollieren kann." (Alexander Hahn, 25.2.2016)