Alles durchgeplant, über Wochen und Monate fest gelegt: Spontaneität und unmittelbare Freude werden damit nachhaltig vertrieben

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Wer viel arbeitet, hat viel zu tun. Vieles funktioniert in Teams nur, in dem Termine abgestimmt und eingehalten werden. Dazu werden gleich mehrere Termine an die notwendigen Teilnehmer ausgeschickt, eine Rundfrage wird gestartet, und wenn hoffentlich nicht benötigte Termine wieder sauber gelöscht werden, bleibt ein Termin als Ergebnis bestehen. Wieder einmal geschafft, das Team kann sich zusammensetzen.

So geht es Tag ein Tag aus, gegenüber Mitarbeiterinnen, Kunden und Lieferanten. Die Suche nach Zeiträumen für Meetings und Besprechungen nimmt immer mehr Zeit in Anspruch. Je größer die dazu benötigte Gruppe ist, desto unwahrscheinlicher kommt der Termin zu Stande. Sagen dann auch noch wesentliche Entscheider kurzfristig ab, wurde eine Unsumme an Ressourcen vergeudet. Das muss sich ein Unternehmen erst leisten können.

Dieses Phänomen setzt sich aber auch im Privaten fort. "Schatz, hast Du am 13.7. am Abend Zeit, ich hätte da eine Fortbildung …" Blick auf den Outlook-Terminkalender am Mobiltelefon, "ja, geht", den Termin natürlich eintragen, damit er nicht verloren geht. Dann findet man abends im Posteingang die Einladung zur Teilnahme an einem Doodle … die nächste Terminanfrage. Und Muttern möchte wissen, ob wir zu Ostern da sein werden oder wieder nach Heiligenblut fahren … das müsste man doch schon Wochen vorher wissen.

Der Besuch im Spitzenrestaurant – ohne Tischreservierung vier bis sechs Wochen in advance geht da gar nichts. Das Konzert der Hosen in vier Monaten – dafür muss ich mich heute entscheiden. Das Kindermusical in der Stadthalle in sieben Wochen, Tickets heute und jetzt. Der eigene Geburtstag – wenn mit Eltern und Freunden gefeiert, dann lang vorher vereinbart. Der Thermenaufenthalt am verlängerten Mai-Wochenende – nur möglich, wenn Monate vorher gebucht.

Forget it

Nichts geht mehr ohne Kalender, alles Freuden des Lebens werden zu einem Termin. Was dabei auf der Strecke bleibt, sind die Lust und die Spontaneität. Bock auf ein schnelles Bierchen mit Freunden – forget it! Lust, heute das neue, gehypte Lokale aufzusuchen – no way. Was, heute spielen Russkaja? Natürlich keine Karten …

Die Tatsache, Lust und Freude Monate voraus zu antizipieren, stellt uns vor ein Problem, das wir nicht lösen können. Lustlosigkeit stellt sich ein. Widerstand baut sich auf. Man bräuchte dringend einen Termin bei einem Business-Coach …

Wenn die Belohnung für ein Verhalten zu lange ausbleibt, tun wir uns schwer, entsprechende Entscheidungen zu treffen, werden emotional und verlieren damit die Fähigkeit, kluge Handlungsalternativen zu überlegen. Menschengerechte (Arbeits-)Umwelten sehen anders aus. Das Spannende daran: Wir haben uns diese Arbeitsumwelt selbst geschaffen, nur wir selbst sind dafür verantwortlich, dass wir aus Termindruck heraus schlechte bis falsche Entscheidungen treffen, dass wir Marktchancen nicht wahrnehmen können und dass wir keine Zeit mehr finden, uns für gelungene Aktionen zu belohnen. Bleiben die Belohnungen aus, sinkt die Freude an der Aufgabe. Und was das bedeutet, braucht nicht mehr vertieft zu werden. (Gregor Fauma, 26.2.2016)