Es gibt Interviews, die weniger verraten, als die Leserschaft wissen will, und solche, in denen der Interviewte mehr preisgibt, als er preisgeben möchte. Ein solches fand am Montag in dieser Zeitung mit dem für seine Geschmeidigkeit bekannt gewordenen burgenländischen Soziallandesrat Norbert Darabos statt.

Darin sorgte er sich um die Zukunft seiner Partei und entlarvte sich als der Funktionärstyp, der den Anlass zu dieser Sorge bildet, ihn aber anderswo sucht. Leitbegriffe seiner Analyse sind das Gefühl und die Angst. Nicht weniger als viermal kommt jeder der beiden Begriffe in der nicht allzu langen Wortspende vor und verrät, wohin er und seine Partei marschieren: ins Irrationale. "Ich habe das Gefühl, dass die FPÖ Burgenland nicht ideologisch ausgerichtet ist", so fühlt er. Gefühle hat er Genossen gegenüber, die seine Geschmeidigkeit nicht positiv auslegen, nämlich negative. Und sogar im Fremdfühlen ist er fit. Er könne nicht akzeptieren, dass Mindestpensionsbezieher das Gefühl haben, dass sie schlechter behandelt werden als Asylwerber.

Grundsätze darf man natürlich nicht verlassen. Aber ich höre auch viel von Ängsten, und man kann doch nicht aus ideologischen Gründen auf diese Ängste nicht eingehen." 300.000 Flüchtlinge übers Burgenland gelotst, "vorbildlich. Aber ein paar Monate später hat man gesehen, dass es da Ängste gibt. Auf die muss ich doch eingehen." Und dann sind da auch noch die Ängste wegen eines Abbaus des Sozialstaates ernst zu nehmen.

Es soll ja einmal eine Zeit gegeben haben, in der man in Darabos' Partei die gesellschaftspolitische Lage nicht rein gefühlsmäßig, sondern rational analysierte und nach dieser Analyse politisches Handeln ausrichtete. Damals hatte sie eine absolute Mehrheit, und dieser Zusammenhang war, wenn nicht der einzige Grund, so doch kein reiner Zufall. Wenn Darabos – nicht allein – erkennt, es sei unklar geworden, wofür die Sozialdemokratie steht, und Abhilfe durch Appelle an Gefühle und Ängste schaffen will, dann begeht er eine Verwechslung von Ursache und Wirkung, und als ehemaliger Bundesgeschäftsführer vermutlich wider besseres Wissen.

Nie wird die Frage gestellt, auf welchen Tatsachen die Ängste beruhen, die so anrührende Gefühle erzeugen. Ob man ihnen nicht entgegentreten müsste. Das wäre nicht ratsam, wenn man gleichzeitig denen in die Arme sinkt, die diese Ängste schüren, obwohl sie doch gar nicht "ideologisch ausgerichtet sind". Burgenlands Blaue als Insel der Anständigen in der FPÖ? Die Roten wären auf sie nicht angewiesen, würden sie endlich den ständigen Abbau des Sozialstaates ernst nehmen, statt nur die Ängste davor. Das wäre freilich mit Risiko verbunden – also Angst.

Wer im vorigen Jahrhundert in "den Menschen" am besten und zu deren Schaden Ängste und Gefühle instrumentalisierte, ist bekannt. Sekten tun es auch gern. Ausgerechnet mit deren Rezepten vor dem Schrumpfen einer Partei zur Sekte zu warnen ist absurd. So absurd wie Österreichs Flüchtlingspolitik, die trotz Wohlstands endlich auf die Qualität der Politik eines Balkanstaates herabgesunken ist. Eben eine Kettenreaktion von Gefühlen und Ängsten. (Günter Traxler, 25.2.2016)