Österreich hat seine Grenzen zu schützen, wie es in der Verfassung festgehalten ist. Nur das tut es im (hoffentlich noch länger) vereinten Europa des 21. Jahrhunderts nicht durch Zäune oder schlecht ausgebildete und noch schlechter bezahlte Grundwehrdiener, sondern durch Zusammenarbeit mit seinen europäischen Partnern, strategische Kooperationen mit Drittländern, gut aufgestellte und international vernetzte Nachrichtendienste und eine vorausschauende Außenpolitik.

Zu Letzterer gehört unter anderem, seinen humanitären und völkerrechtlichen Verpflichtungen nachzukommen und finanzielle Zusagen an die Vereinten Nationen sowohl für akute Krisenfälle als auch für nachhaltige Entwicklungshilfe auch tatsächlich einzuhalten.

Ein Grund, warum die Flüchtlingsmassen nämlich gerade seit dem Vorjahr nach Europa drängen und nicht schon seit 2011, dem Beginn des Bürgerkriegs in Syrien mit bislang mehr als 270.000 Toten und mindestens elf Millionen sogenannten "displaced persons", ist der Umstand, dass die Uno nicht mehr über die Mittel verfügt, die vor dem Konflikt geflohenen Menschen in den Nachbarländern des im Chaos versinkenden Staates adäquat zu ernähren. Dass der benötigte Betrag von einem Dollar pro Tag und Flüchtling nicht mehr aufzutreiben ist, wirft kein gutes Licht auf die internationale Gemeinschaft.

Aber zurück zur Sicherheitspolitik. Zu den von der Bertelsmannstiftung prognostizierten Kosten in Milliardenhöhe, die die Wiedereinführung von Grenzkontrollen auch bei noch so gutem Grenzmanagement verursachen wird, kommen nun auch noch die nicht unerheblichen Summen, die jetzt Staat für Staat entlang der Balkanroute für nationale Sicherungsmaßnahmen ausgibt.

Anstelle dieses kafkaesk anmutenden Stückwerks wäre es sinnvoll, diese Gelder für einen zentral orchestrierten und professionellen Schutz der Außengrenze zu verwenden und die Griechen nicht schulmeisternd im Regen stehen zu lassen.

Denn ehe die Flüchtlingskrise im Vorjahr Zentraleuropa erreichte, hielt sich wohlgemerkt auch das Interesse Österreichs an der Situation in Lampedusa und anderen Orten der südöstlichen Peripherie unseres Kontinents lange Zeit in Grenzen.

Auch hat es wenig Sinn, aus politischen Motiven permanent dem abstrakten Gebilde Europäische Union den schwarzen Peter zuzuspielen, auch wenn es sich hervorragend als Sündenbock eignet. Vielmehr wäre es an der Zeit, der Bevölkerung zu erklären, dass es die einzelnen Mitgliedsstaaten – vertreten durch die Staats- und Regierungschefs im Europäischen Rat bzw. die jeweiligen Minister im Rat der Europäischen Union – sind, die die vielbeschworene "europäische Lösung" bislang aufgrund nationaler Egoismen blockieren, auch wenn sich die Mehrheit der Europäer eine solche wünscht.

Ziele und fromme Wünsche

Eine gemeinsame, von allen Mitgliedsstaaten mitgetragene Sicherheitspolitik, die ihren Namen tatsächlich verdient, ist also das Gebot der Stunde. Selbiges gilt auch für eine gemeinsame Außen- und Verteidigungspolitik, damit Europa endlich auch eine ernstzunehmende politische Rolle auf der Weltbühne spielen kann.

All dies wird aber auf absehbare Zeit ein frommer Wunsch bleiben. Denn in der aktuellen, durch die Flüchtlingskrise aufgeheizten Stimmung werden sich die um ihre Wählerstimmen besorgten Politiker von London bis Warschau gegen jede weitere Abgabe von nationaler Souveränität wehren und kategorisch auf die Integrationsbremse steigen. Im Grunde genommen handelt es sich dabei auch nur um einen menschlich verständlichen, instinktiven Reflex in Stresssituationen.

Allerdings löst abruptes Bremsen das Problem nicht, sondern führt vielmehr erst recht zum Crash, den man damit ja gerade hatte verhindern wollen. Es ist im Grunde wie beim Autofahren im Winter: bei Schneefahrbahn niemals in Panik verfallen, sondern vorausschauend fahren und geschickt gegenlenken, um die Spur zu halten. Dass dies unseren südlicher gelegenen EU-Partnern vielleicht nicht bewusst sein mag, könnte man ja noch verstehen. Österreichische Minister sollten das aber eigentlich wissen. (Robert Lackner, 25.2.2016)