"Keep the Recovery Going" (Lasst den Aufschwung weitergehen): Mit dieser Botschaft wirbt die größte Regierungspartei in Irland, die Fine Gael, um Stimmen in Dublin.

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Wenn man sich die Weltwirtschaftskrise als eine Achterbahnfahrt vorstellt, dann geht es für Österreich gerade steil hinunter. Die Arbeitslosigkeit nimmt zu, das Wachstum schwächelt, und die Laune der Unternehmer wird schlechter. Irland hingegen ist wieder weit oben angekommen. Die Stimmung der Konsumenten ist laut Befragungen besser denn je zuvor. Die Arbeitslosigkeit sinkt ebenso wie die Verschuldung des Landes.

Der amtierenden Regierung unter dem konservativen Premier Enda Kenny scheinen die guten Zahlen wenig zu helfen: Seine Koalitionsregierung ist drauf und dran, ihre Mehrheit bei den Parlamentswahlen diesen Freitag zu verlieren.

Harte Zeiten

Erstaunlich ist die Entwicklung aber allemal, weil das 4,9 Millionen Einwohner zählende Land harte Zeiten hinter sich hat. 2010, nach dem Kollaps des Bankensystems, stand der Staat vor der Pleite. Die Regierung nahm einen Milliardenkredit der Euroländer und des Internationalen Währungsfonds auf und setzte im Gegenzug ein drastisches Sparprogramm um. Beamte wurden entlassen, Staatsausgaben gekürzt. In weiterer Folge fielen die Löhne, wovon das Land im Welthandel profitieren sollte.

Gegnern von Sparpolitik wird das nicht gefallen: Die Rosskur zeigte Wirkung. Zum dritten Mal in Folge wird Irlands Wirtschaft 2016 am stärksten in ganz Europa wachsen, prognostizierte die EU-Kommission im Herbst. Ökonomen wie Daniel Foley in Dublin sprechen von einer nachhaltig guten Performance des Inselstaates. Zunächst profitierte das Land nur von einem Anstieg der Exporte. Doch inzwischen wird der Aufschwung zu etwa gleichen Teilen von den Ausfuhren und von der Inlandsnachfrage getragen, sagt Foley. Die Iren kaufen fleißig TV-Geräte und Laptops. Sie trinken wieder jede Menge Guiness.

Was steckt hinter dem irischen Erfolgsrezept? Wer den steilen Wiederaufstieg des Landes verstehen will, kommt an den blauen Pillen nicht vorbei. Die Rede ist von Viagra. Fünf der zwölf meistverkauften Medikamente der Welt werden in Irland hergestellt. Darunter ist neben dem Potenzmittel das Asthmamedikament Singulair von Merck oder Remicade von Johnson & Johnson, das gegen Arthritis wirkt.

Boomende Pharmabranche

Geografische Nähe, keine Sprachbarriere und Steuersätze von 12,5 Prozent auf Firmengewinne haben viele Pharmamultis, besonders aus den USA, angezogen. Medikamente und chemische Produkte sind die mit Abstand wichtigsten Exportprodukte des Landes. Das war bereits vor dem Wirtschaftskollaps 2008 der Fall.

Doch Irland hat mit der Pharmabranche eine auch inmitten der Krise wachsende Exportnische gefunden. Zahlen des Informationsdienstleisters Thomson Reuters zeigen, dass die globalen Absätze der Pharmaindustrie stetig steigen. Zwischen 2004 und 2014 hat sich der Verkaufswert der Medikamente weltweit auf über eine Billion US-Dollar verdoppelt. Die steigende Lebenserwartung und ein Kampf um neue Zulassungen tragen zu dieser Entwicklung bei.

Befürwortern der Sparpolitik wird das nicht gefallen: Irland konnte an diesem Zuwachs einfach mitnaschen. Die südlichen Krisenländer der Eurozone können das Modell also nicht leicht kopieren. Im Vorjahr stiegen die irischen Güterexporte um 20 Prozentpunkte an. Der Handelsüberschuss erreichte 44 Milliarden Euro, ein Allzeithoch. Den größten Anteil an diesem Zuwachs hatte die Pharmaindustrie. Selbst wenn man einrechnet, dass ein Teil der Pharma-Produktion gar nicht in Irland stattfindet, sondern aus Steuergründen dort verbucht wird, sind die Zuwachsraten beachtlich.

Bessere Verdienste

Dabei beschäftigt die Branche auf der Insel nur 40.000 Menschen. Doch die Einnahmen der Industrie sorgen für bessere Verdienste der Angestellten, beleben die Bautätigkeit. "Das trägt spürbar dazu bei, dass es wirtschaftlich bergauf geht", sagt Zsolt Darvas vom Forschungsinstitut Bruegel in Brüssel. Hinzu kommt, dass die Verkäufe des Dienstleistungssektors (Google) zulegten. Gerade im Wirtschaftsleben, wo oft alles von der Stimmung abhängt, können Erfolgsmeldungen einzelner Branchen alle anstecken. Das scheint in Irland passiert zu sein. Dass der Staat 2015 den Sparkurs lockerte, trug zur Belebung ebenfalls bei.

Darvas erwartet, dass die Konjunktur in den kommenden Jahren etwa abflauen wird, wenn die in der Rezession verschobenen Ausgaben nachgeholt sind. "Aber das irische Wachstum wird noch jahrelang deutlich über dem EU-Schnitt liegen", so der Ökonom.

Das Land und die Menschen werden das brauchen. Denn die Rezession hat Narben hinterlassen. Die Arbeitslosigkeit ist trotz des Rückgangs noch höher als in Österreich. Mehr als 27 Prozent der Iren sind laut Statistikbehörde Eurostat durch Armut oder sozialer Ausgrenzung gefährdet. Die Trendwende ist da, die Zahl der Armen sinkt. Aber nur langsam. (András Szigetvari, 26.2.2016)