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718 erinnert nicht von ungefähr an legendäre Rennsporterfolge – das Bild zeigt Joakim Bonnier als Gesamtsieger der Targa Florio 1963 auf Porsche 718 GTR Coupé.

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Marseille – "Gruppe Blau bitte zu Station vier." Gruppe Blau sind die Österreicher, die Geschichte hält für uns sonst nicht immer die besten Karten bereit, diesmal schon, diesmal geht es gleich ums Wesentliche, um eine erste Bestandsaufnahme von Sättigungswerten im emotionalen Bereich.

Testfahrt im Prototypen

Wir befinden uns im Fontange Michelin Test Centre nahe Marseille, wohin Porsche zum "718 Boxster Technologie-Workshop" geladen hatte. Mit vier Stationen: Antrieb, Fahrwerk, Design und "Taxi-Fahrt". "Taxler" Leo Wandl sitzt am Steuer, in Station vier geht’s folglich um Mitfahr-Impressionen, die 718er Boxster auf dem Testgelände sind noch ein bisserl prototypenmäßig kaschiert, ansonsten aber schon genau das, was ab Ende April auf die porscheaffine Welt losgelassen wird.

Zum 20-Jahr-Jubiläum des Boxsters, der sich bisher 290.000 Mal verkaufte, wird er gemeinsam mit dem Cayman zur Mittelmotor-Sportwagenbaureihe 718 zusammengefasst.
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Wandl, der aus dem Waldviertel stammende Instruktor, wirft das Werkl an. Man kennt sich schon von einem ähnlichen Workshop im deutschen Grevenbroich, damals ging’s um den Macan, jetzt um den neuen Antrieb im 718 Boxster, konkret: Boxster S (denn in dem sitzen wir), und der lässt sich jetzt hören und fühlen.

Brabbeln beim Schieben

Orchestral und nach Gänsehaut klingt das im oberen Drehzahlbereich, unten tönt es auch solide sonor, man wird sich rasch an das boxertypische Klangbild gewöhnen. An das rotzige Brabbeln sowieso, das die Maschine bei Sport-Modus im Schiebebetrieb von sich gibt; bei "Sport plus" entfällt das, da konzentriere man sich ja auf's Fahren an sich, wie Wandl sagt und Kant vielleicht sagen würde.

Die 4-Zylinder-Turbo-Boxer leisten zwar 35 PS mehr als die bisherigen Saugermotoren, brauchen aber fast einen Liter Sprit weniger. Auf der Nürburgring-Nordschleife nimmt der 718 Boxster S mit 7:42 min dem Vorgänger 16 Sekunden ab.
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Noch imposanter, Stichwort "fühlen", ist die Art, wie Porsche wieder mal die wilden Pferde aufgezäumt hat, ist die Leistungsentfaltung dieses Teufelskerls von 4-Zylinder, sind Stabilität, Handling, Präzision der um zehn Prozent direkter abgestimmten Lenkung, Querbeschleunigung – und bitte sehr, im optionalen Torque-Vectoring-System werkt eine mechanische Hinterachsquersperre.

Kleiner, sparsamer, stärker

Was zu sechst geht, schafft man auch zu viert? Wegen immer rigoroser werdender Verbrauchsvorgaben rangiert Porsche die 6-Zylinder-Sauger aus und ersetzt sie durch 4-Zylinder-Turbos. Ähnlich radikaler Schritt wie vorher im 911, wo auch die Sauger durch (Bi-)Turbos mit kleineren Hubräumen ersetzt wurden; diese 6- und die bis zu 7500 Touren hochdrehenden 4-Zylinder wurden übrigens gemeinsam entwickelt.

Boxermotoren mit 2,0 oder 2,5 Liter Hubraum arbeiten in den 718ern.
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Im Boxster mit der traditionsreichen Kennung 718 arbeitet statt des bisherigen 2,7-Liter-Boxermotors (265 PS) eine Maschine mit 2,0 Liter Hubraum und einem Turbolader. Im 718 Boxster S sind es – gleicher Hub, nur unterschiedliche Bohrung – 2,5 Liter, und der etwas größere Turbolader verfügt über variable Turbinengeometrie, was es bei Benzinern sonst nur im 911 Turbo gibt. Der größere Luftbedarf zum Atmen und zur Kühlung war eine Herausforderung für die Luftführung, was sich aber durch größere Einlässe vorn und eine Modifizierung bei den seitlichen Kiemen lösen ließ.

Kulturverlust

Der Basis-(Wastegate-)Turbo ar beitet mit ungewohnt hohem Ladedruck (bis zu 1,4 bar), der stärkere mit 1,0 bar. Aus 265 PS wurden 300, aus 315 PS 350. Und trotz der Mehrleistung ergibt sich ein Normverbrauchsvorteil von bis zu 13 Prozent: Mit 6,9 l /100 ist das Basismodell um 0,7 Liter sparsamer als bisher, beim 718 Boxster S ergibt sich mit 7,3 l / 100 km ein Minus von 0,9 l / 100 km. Tolle Motoren also. Trotzdem ein Kulturverlust. Gruppe Blau meldet sich ab. (Andreas Stockinger, 26.2.2016)

Nachlese:

Porsche 911: Tanz auf dem Vulkan

Porsche Ringtraining: Auf die Knöpfe, fertig, Abflug