Wahllokal in Dublin.

Foto: AFP / LEON NEAL

Die irische Parteienlandschaft wird nach der Parlamentswahl am Freitag fragmentierter sein als je zuvor, ihr Schwerpunkt wird sich nach links verschieben. Das macht die Regierungsbildung schwieriger, bevor der neue Dáil, das Abgeordnetenhaus, am 10. März zusammentritt.

Die bisherige Mitte-links-Koalition aus bürgerlicher Fine Gael und milde sozialdemokratischer Labour hatte die Sparpolitik offiziell zwar schon vor über einem Jahr abschließen können, aber die Narben des ökonomischen Kollapses sind noch nicht verheilt. Hohe Mieten und steigende Obdachlosenzahlen bereiten Sorgen.

Angesichts der überstandenen Sparpolitik sollte man eine erbarmungslose Vergeltung der Wähler erwarten, das wird aber kaum geschehen: Fine Gael unter Enda Kenny macht sich Hoffnungen, erneut stärkste Partei zu werden. Allerdings wird Labour kaum genügend Gewicht für eine Mehrheit auf die Waage bringen. Die beiden Parteien müssten Verbündete unter vielen neuen Splitterparteien suchen, mit denen sie politisch einiges gemeinsam haben.

Historische Rivalitäten

Die offensichtlichste Koalition – jene zwischen den historischen Erzfeinden Fine Gael und Fianna Fáil – steht vorläufig nicht auf der Tagesordnung. Deren Vorväter hatten sich vor beinahe einem Jahrhundert einen Bürgerkrieg geliefert. Ideologisch sind kaum Unterschiede auszumachen, doch die Rivalität sitzt tief. Zudem wird Fianna Fáil nicht ohne Grund für den wirtschaftlichen Absturz verantwortlich gemacht. Die einstmals dominante Partei hat eine Rolle als Juniorpartnerin abgelehnt, ebenso wie eine Koalition mit der laut Umfragen größten Oppositionspartei, Sinn Féin.

Die einst aus der Irisch-Republikanischen Armee (IRA) herausgewachsene Sinn Féin verspricht ein Ende der "austerity", der Sparpolitik nach linkem, populistischem Strickmuster. Neue Steuern sollen wieder abgeschafft, hohe Einkommen stärker besteuert werden – das ist für niedrige Einkommensgruppen und städtische Wähler reizvoll; die Partei wird zweifellos zulegen. Sie wird von Gerry Adams angeführt, der unverändert bestreitet, ein führendes IRA-Mitglied gewesen zu sein. Das glaubt ihm niemand.

Adams verspricht eine breite, bunte Koalition links der Mitte. Labour steht dafür kaum zur Verfügung, und die linken Splittergruppen reichen kaum für eine Mehrheit. So bleibt eine bürgerliche Formation unter Kenny das plausibelste Szenario. Die Berechenbarkeit dieser Perspektive wird die Meinungsbildung zahlreicher Wähler beeinflussen. (Martin Alioth aus Dublin, 26.2.2016)