Es ist unverkennbar, dass die Parlaments- und Expertenratswahlen am Freitag im Iran sich grundsätzlich von den bisherigen Wahlen unterschieden. Auf zwei ganz unterschiedliche Methoden wurde der Wahlkampf durchgeführt. Die Konservativen versuchten ihre Anhänger durch klassische Methoden, seien es Straßenmeetings oder Plakate und Poster, zu mobilisieren, während die Reformer das Internet in Anspruch nahmen.
55 Millionen Iranerinnen und Iraner waren wahlberechtigt, davon mehr als drei Millionen Erstwähler. Bei einer Einwohnerzahl von 80 Millionen sind im Iran mehr als 88 Millionen Handys im Umlauf und wurden diesmal für die Wahlpropaganda eingesetzt. Nach Schätzungen des Innenministeriums wird die Wahlbeteiligung zwischen 65 und 75 Prozent liegen.
Drei Millionen Wahlhelfer
Das erste amtliche Wahlergebnis wird bis Samstagmittag veröffentlicht. Mehr als drei Millionen Wahlhelfer stehen zur Verfügung, für die Sicherheit der Wahllokale sind eine Million Polizisten mobilisiert. Zum ersten Mal werden in manchen Wahllokalen durchsichtige Wahlurnen benutzt. Bei der Zählung wird jeder Wahlzettel zweimal geprüft und von den Wahlbeobachtern kontrolliert.
Das Wahlergebnis muss anschließend auch vom Wächterrat bestätigt werden.
Wegen des starken Wählerandrangs wurden die Öffnungszeiten am Freitag mehrfach verlängert. Ursprünglich wäre um 15.30 Uhr Wahlschluss gewesen. Die Wahllokale schlossen mit fast sechs Stunden Verspätung um 23.45 Uhr Ortszeit (21.15 Uhr MEZ).
Präsident Hassan Rohani zeigte sich nach der Stimmabgabe im Innenministerium zufrieden mit dem Ablauf. Der Spitzenkandidat der Reformer, Mohammed-Reza Aref, sagte in Teheran: "Wir könnten heute die 70-Prozent-Marke knacken." Er zeigte sich zuversichtlich, dass die Reformer nach dem Sieg Rohanis bei der Präsidentenwahl 2013 nun im Parlament die zwölfjährige Dominanz der Koalition aus Konservativen und Hardlinern beenden könnten.
Ergebnisse in Teheran entscheidend
Um die 290 Sitze im Parlament kandidierten zuletzt mehr als 4.000 Bewerber. Die Ergebnisse in Teheran sind von entscheidender Bedeutung, weil dort die meisten namhaften Politiker beider Richtungen kandidieren. Seit Tagen werfen die Reformer den Konservativen vor, Millionen Einwohner anderer Städte nach Teheran bringen zu wollen, um die Ergebnisse dort zu beeinflussen. Um das zu unterbinden, will das Innenministerium mithilfe der Polizei alle nach Teheran führenden Straßen kontrollieren. In der Hauptstadt sind acht Millionen Menschen wahlberechtigt.
Beide Seiten haben auch unterschiedliche Methoden eingesetzt, um den Gegner außer Gefecht zu setzen. Während die Konservativen den Reformern vorwarfen, von ausländischen Medien, vor allem BBC Farsi, unterstützt zu werden, und das bei jeder Wahlveranstaltung betonten, versuchten die Reformer die Erfolge in der Außenpolitik und im Entspannungskurs der Regierung Hassan Rohanis als Trumpfkarte ins Spiel zu bringen.
Präsident Rohani bezeichnete bei einer Veranstaltung die Vorwürfe der Konservativen als lächerlich und meinte: "Wenn wir dem alten, ausgedienten Imperium" – er meinte indirekt Großbritannien – "so viel Gewicht beimessen, beleidigen wir unsere reife, intelligente Bevölkerung."
Aufruf, zur Wahl zu gehen
Am Mittwoch äußerte sich der religiöse Führer Ayatollah Ali Khamenei erneut zu den bevorstehenden Wahlen und nahm indirekt die Konservativen in Schutz. "Fanatiker und Gemäßigte sind importierte Begriffe", meinte er. Er forderte aber gleichzeitig alle auf, an den Wahlen teilzunehmen. Abgesehen von der Nationalen Front und der Paniranist-Partei haben fast alle politischen Gruppen und Organisationen ihre Anhänger aufgefordert, ihre Stimme abzugeben. Sogar die meisten oppositionellen Iraner und Iranerinnen im Ausland lehnten einen Wahlboykott ab.
Zum ersten Mal seit Jahren stehen auch die Expertenratswahlen im Mittelpunkt des Interesses. Der Expertenrat besteht aus 88 Religionsgelehrten, er wird für acht Jahre gewählt und kann über die Nachfolge Khameneis entscheiden. Der religiöse Führer ist 76 Jahre alt und nicht bei guter Gesundheit. Für den Expertenrat kandidieren 169 Religionsgelehrte, es werden zwei Listen vorgeschlagen. Obwohl auf beiden Listen mehrere Namen identisch sind, wurden die Reformer aufgefordert, die von Hashemi Rafsanjani vorgeschlagene Liste zu wählen. In dieser Liste fehlen die Namen mehrerer konservativer Ayatollahs, darunter der jetzige Vorsitzende des Expertenrats, Mohammed Yazdi, und auch der Vorsitzende des Wächterrats, Ahmad Jannati. (Amir Loghmany aus Teheran, 26.2.2016)