Der Verdacht der GPA: 50 Prozent der Werkverträge als versteckte Dienstverträge – Schauermärchen oder nicht? Obmann Alfred Harl kämpft für die Reform der Werkverträge.

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Treffen ein Unternehmensberater und ein einstiger Kunde (Geschäftsführer) im Wartezimmer einer Arztpraxis aufeinander. Fragt der Berater: "Na, wie geht's Ihrer Firma?" Antwortet der Geschäftsführer: "Gut, seit Sie draußen sind."

Was sich wie ein Beraterwitz anhört, ist für Alfred Harl keiner. Für den Obmann des Fachverbandes Unternehmensberatung, Buchhaltung und IT in der Wirtschaftskammer mit aktuell exakt 65.297 Mitgliedern (75 Prozent EPUs) mit zusammen etwa 24 Mrd. Euro Umsatz sagt diese Szene im Wartezimmer: "Auftrag im Sinne des Unternehmens erfüllt." Es gehe ja nicht darum, der Strahlkraft der eigenen Marke zu dienen, sondern um den Dienst am Kundenunternehmen.

Etwas bewegen

Ursprünglich, Anfang der 80er als Projekt- und Logistikfachmann in Nordafrika, war der 59-Jährige kein brennender Fan der Kammer, stieg zum Millennium aber aktiv ein, zunächst als Ausschussmitglied. Seine eigene Organisationsoptimierungs- und Strategieberatung Harl Consult hatte er damals schon 20 Jahre lang. Warum der Schwenk zur Kammer? "Ich habe erfahren, dass man da wirklich etwas bewegen kann", sagt er mit seriösem Charme, mit professionell-verbindlicher Distanz.

Diese dezente Haltung hört sich auf, wenn es um sein Thema No. 1 geht. Da wird direkt gekämpft – und das mit Standortargumenten. "Ja, das bringt mich wirklich in Wallungen." Konkret: Gewerkschaften und Gebietskrankenkassen suchen im Verband und bei den Kunden nach Scheinselbstständigen, also solchen, die via Werkvertrag ein Dienstverhältnis umgehen könnten. Da 88 Prozent der Mitglieder zwischen einem und neun Mitarbeiter zählen, ein breites Betätigungsfeld.

Betriebsmittel im Kopf

Der Verdacht der GPA, wonach rund 50 Prozent der Werkverträge versteckte Dienstverträge seien, sei ein Schauermärchen, antiquierte Regelungen in Vertragsvorschriften hätten "in der heutigen, veränderten Arbeitswelt einfach keinen Platz mehr". Dies gelte eben speziell für wissensbasierte Dienstleister, deren Know-how endlich als Betriebsmittel und damit als Beleg der tatsächlichen Selbstständigkeit anerkannt werden muss. Man komme als Wissensarbeiter in der Beratung nun einmal mit dem Betriebsmittel im Kopf zum Kunden. Harl: "Viele Kleinbetriebe haben täglich Angst, mit Beratern zusammenzuarbeiten, weil immer das Damoklesschwert einer über fünf Jahre rückwirkenden Anstellung da ist und dann sämtliche Beiträge nachzuzahlen wären."

Wer selbstständig tätig sei, wolle das auch, betont Harl. Wenn die Gebietskrankenkasse einen Werkvertrag als Dienstverhältnis einstuft und der beauftragende Unternehmer daraufhin Sozialversicherungsabgaben nachzahlen muss, dann sei das oft auch der Schlusspunkt der unternehmerischen Existenz. Jedenfalls erzeuge diese "Rechtsunsicherheit" Schaden, hemme das Geschäft, hemme die Weiterentwicklung des Standortes – jetzt, wo jede Firma an ihrer Digital- und Sicherheitsstrategie zu arbeiten habe.

Für "Qualitätsquote"

Im Verband würden die Fälle derzeit gesammelt und dokumentiert, und während dem Sozialminister "unverzügliches Handeln" zugerufen wird, werden dem Vernehmen nach auch Pläne für eine Clearingstelle ausgearbeitet, in der Selbstständige einzahlen und sich Gebietskrankenkassen und SVA die Beträge dann teilen.

"Wallungen" verschafft Harl auch das Thema Aufsichtsräte. Sie seien ja auch "eine Art Berater" für Unternehmen – und gerade dort, wo die öffentliche Hand im Spiel ist, ortet Harl die Auswahl der Mitglieder "im Dunkeln" eines "Old Boys Club". Also ist der Fachgruppenobmann Verfechter einer Frauenquote? "Ich bin für eine Quote, aber für eine Qualitätsquote", versucht es Harl elegant und erklärt: Frauen und Männer sollten im Hearingkomitee gleichermaßen vertreten sein, auszuwählen sei allerdings der oder die jeweils Beste – je nach Unternehmensanforderung. Zunächst störten ihn einfach intransparente Auswahlprozesse.

Imagefragen

Gleichmütig bleibt Harl bezüglich des Themas der Imagefrage von Beratung, für die ja ein Gewerbeschein ausreicht. Er beruft sich auf den Zug zur Zertifizierung (CMC) und auf freiwillige Höherqualifizierung. Dass auch im Hypo-Gefolge Berater mit Millionenhonoraren ins Licht gerieten, bringt ihn nicht aus der Ruhe. Berater hätten sich am Auftrag zu orientieren, andere Vorschläge könne man einbringen, aber: "Wenn der Auftrag angenommen wird, ist er auch zu erfüllen." Und die Höhe des Honorars richte sich nach dem Umfang des Auftrags. (Karin Bauer, 29.2.2016)