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Handlungsanweisungen à la Klum: "Jetzt musst du es nur noch bringen!"

Foto: EPA/Jens Kalaene

Unglaublich, aber wahr. Die Modelcasting-Show "Germany's Next Topmodel" läuft derzeit in ihrer elften Staffel. Die erste ging im Jänner 2006 über die Bühne, seither bewerben sich tausende, also schlichtweg viel zu viele Mädchen um die versprochene Chance auf eine Karriere als Supermodel. Das Äquivalent zu diesem Traumberuf war früher vielleicht das Prinzessinnendasein – möglichst wenig tun plus möglichst viel Geld. Der Wunsch danach wäre ja noch verständlich. Die Variante dieses Traums junger Mädchen, von denen viele mit "GNTM" aufgewachsen sind, ist um einiges schlechter: Kommen doch beim modernen Prinzessinnendasein noch ein dichtes Sportprogramm, ständige Obacht beim essen, erniedrigende Sprüche von KundInnen bis FotografInnen, und oft bleibt es beim Versprechen auf den großen Durchbruch.

Gut, wenn eine denn unbedingt will, das Antlitz und die körperliche Statur mitbringt, soll sie doch. Aber dass dieses Begehr seit sage und schreibe zehn Jahren massenhaft in jungen Mädchen geweckt wird, ist doch nochmals eine andere Nummer. Doch nach massenhaft unglaublich dummen Sprüchen von Heidi Klum ("Du hast den Look! Jetzt musst du es nur noch bringen!") könnte selbst unter KritikerInnen des Formats fast so etwas wie Gleichgültigkeit eintreten. Wären da nicht Kommentare wie der von SZ-Autorin Tanja Rest, in dem sie erklärt, warum die Empörung über die Show überflüssig ist. Über dieses und andere Castingformate rege sich doch schließlich "keine Sau" mehr auf.

Ein Business, das auf Bäumen wächst

Nun sind es Feministinnen ja gewöhnt, dass ihnen ständig ausgerichtet wird, worüber sie sich zu empören und worüber sie gefälligst zu schweigen haben. Rest erinnert nun aber – unbeabsichtigt – daran, nicht über etwas zu schweigen, nur weil es zum fixen Bestandteilteil der Kulturindustrie geworden ist. Im Grunde ist ihr Vokabular schon verräterisch: woher der "Hass" der KritikerInnen komme, warum dieses "Gekeife". Man müsse doch sehen, dass das Business nun einmal so ist. Dicke Frauen auf Covers verkaufen sich nicht, Laufstegkleider sehen an dünnen Frauen einfach besser aus. Basta.

Mag sein, aber was haben diese Regeln eines Business mit einer Zehnjähren zu tun? Unter anderem dank TV-Modelcastings sehr viel. Die dort vermittelten Ideale beschränken sich ja nicht auf Mädchen, die tatsächlich und ernsthaft den Einstieg in die Modebranche versuchen. Sie wirken selbstverständlich weit darüber hinaus. Einmal davon abgesehen, dass auch Industrie, Fernsehgeschäft und Schönheitsnormen nichts mit "naturgemäßen" Anforderungen zu tun haben, wie Rest sie bezeichnet, sondern gemacht sind. Von Menschen, "natürlich" ist hier rein gar nichts. Und wer meint, das alles sei unveränderbar, weil "nun einmal so", versteht den Sinn einer jeden gesellschaftspolitischen Debatte nicht.

Heftig: Die Freundin mit dem Kurzhaarschnitt

Doch zurück zu den Bildern, die "GNTM" seit elf Staffeln streut: weinende Mädchen, weil sie sich auf einem Foto fett finden, die sich im Bikini mit Sirup übergießen lassen, junge Frauen, die lernen, zu nichts Nein zu sagen, alles für die Karriere. Und hier noch ein besonderes Gustostückerl aus der letzten Folge: Einer der Boyfriends der Models in spe ist fast den Tränen nahe, als sich seine Freundin ihm via Skype mit Kurzhaarschnitt präsentiert. Er macht kein Hehl daraus, dass das jetzt echt zu viel ist. Kurze Haare? An meiner Freundin? "Echt heftig", meint er und ist den Tränen nahe. Bei ihr fließen sie längst in Strömen. Bei der Verabschiedung versichert er seiner Freundin, sie trotzdem zu lieben. Und sie entschuldigt sich beim ihm, dass sie jetzt so "scheiße aussieht".

Und dazu gesellt sich eine weitere perfide Botschaft: Du allein bist verantwortlich für Erfolg oder Misserfolg. Egal, was schief läuft, du hättest es nur besser machen können. Weiter üben, weiter weinen, weiter ducken. Nur, wer das alles mitmacht, kommt zu etwas.

Ja, genau. Und die Kritik an Formaten wie "GNTM" ist überflüssig, Ende der Märchenstunde. (Beate Hausbichler, 28.2.2016)