Grafik: der Standard
Foto: Guido Gluschitsch
Foto: Guido Gluschitsch

Marchtrenk – Freudensprünge, Gejohle, Liebesschwüre. Nein, nicht Lagonda, nicht Lamborghini, nicht Land-Rover oder Lancia. Lada. Endlich Lada. Nach mehr als 40 Jahren durchlittener Enttäuschungen, mehr als 20 Jahren automobiler Rückschläge und mehr als zehn Jahren journalistischer Fehlgriffe darf der Herr glu seinen inzwischen recht unansehnlichen Hintern hinter das Steuer eines Lada hieven. Lada Kalina Cross. Die Allwege-Version des Lada Kalina, wenn man so will.

Mit dem Kalina Cross will Lada in Europa punkten. Seine Stärke ist der Preis, seine Schwäche das Image, und sein Gegner, der Dacia Sandero Stepway, kommt durch die Renault-Beteiligung an Lada aus dem eigenen Haus.
Foto: Guido Gluschitsch

Ja, der Lada Kalina, den es in Österreich zwar offiziell als Hatchback und als Kombi gibt, den letztes Jahr aber angeblich niemand gekauft hat, obwohl der eine 7490 Euro, der andere 7990 Euro kostet. Aber egal, jedenfalls gibt es diesen legendären Kalina jetzt in robusterer Optik. Und der wird sich jetzt verkaufen, ist man sich bei Lada sicher. Denn der Cross hat serienmäßig, was es beim Kalina 2015 nicht einmal gegen Aufpreis gab: eine Klimaanlage.

Frischer Wind

Der fehlenden Klimaanlage in den Pkws sei es geschuldet, sagt Lada, dass von den 152 verkauften Ladas 152 Taigas waren. Bei der Kultkiste, die als Kleinserie nach Europa importiert wird, ist das Fehlen jeglichen Komfort- und Assistenzklumperts zum Verkaufsargument geworden. Nur fürs Protokoll: Der Taiga hat weder ESP noch Airbag. Darum blieb Lada auch nichts anderes übrig, als den Weg über die Kleinserie zu gehen.

Der Lada Taiga ganz auf Zebra.
Foto: Lada

Obwohl, findig sind sie dann schon, die Russen, und haben, weil auch die Taigas gerne nur in der Stadt bewegt werden, einen Urban gebaut, mit besserer Innenausstattung, Plastik-Stoßstangln und elektrischen Fensterhebern. So haben sie weitere 1000 Stück als Kleinserie über den Ural geschoben. Der Kalina Cross aber, der schafft die Mindestanforderungen für einen Pkw in Europa.

Mit diesen nimmt es der Kalina Cross sogar ziemlich genau. Soll heißen: ABS, ESP, zwei Airbags, Reifendruckkontrolle und aus. Das klingt im ersten Moment böse, hat aber auch seine Vorteile. Kein lästiges Gepiepse vom Auffahrwarner, kein Pfeifton, der vor Temperaturen unter vier Grad warnt, keine Ampel, die den Rückspiegel orange färbt, wenn jemand im toten Winkel ist.

Effekthascherei

Obwohl, das würde man im Kalina Cross eh bald nicht mehr sehen. Denn orange ist die Effektfarbe im Innenraum. Damit macht der Cross auf modern. Beruhigend wirkt das nicht gerade.

Orange als wenig dezente Auflockerung.
Foto: Guido Gluschitsch

Das Orange ist aber auch schon der einzige Effekthascher. Gut, außer der Plastikverkleidung an den Schwellern und den Radläufen, den Alu-Felgen und den 22 Millimetern mehr Bodenfreiheit.

Und trotzdem ist der Kalina Cross ein echter Luxus-Lada, die Rose der Kolchose, der Hipster aus Toljatti. Denn im Cross gibt es nicht nur, wie erwähnt, eine Klimaanlage, diese ist sogar serienmäßig. Wie auch ein Audiosystem mit USB-Anschluss und Freisprecheinrichtung. Oder die Sitzheizung für Fahrer und Beifahrer. Oder die Zentralverriegelung samt Funkfernbedienung. Oder die elektrisch beheizbaren und verstellbaren Außenspiegel.

Im Vergleich dazu der Innenraum des Lada Taiga/Niva.
Foto: Lada

Damit ist der Cross für seinen Preis schon erstaunlich gut ausgerüstet. Sein einziger Konkurrent, der Dacia Sandero Stepway, ist in der Einstiegsvariante um 340 Euro teurer, hat dafür aber zusätzlich zur Klimaanlage elektrische Fensterheber, ein Navi, einen Tempomaten, ein Lederlenkrad und eine Einparkhilfe hinten.

Schlanke Aufpreisliste

Letztere braucht der Lada Kalina Cross gar nicht unbedingt, denn dieses Fahrzeug hat noch ein Detail, das wir nur aus längst vergangener Zeit kennen: eine gute Rundumsicht. Gut überschaubar ist auch die Aufpreisliste: Nebelscheinwerfer um 250 Euro. Fertig.

Die Motorenpalette ist ähnlich umfangreich: Es gibt einen Benziner, der 98 PS aus 1,6 Liter Hubraum offeriert. Ganz ohne Turbo-Schnickschnack. Vier-Zylinder-Saugerpower. 16 Ventile. Euro 6. Ein lustiger Motor eigentlich, der gut am Gas hängt und für seine Aufgabe recht geeignet wirkt. In fast 13 Sekunden beschleunigt er den Cross auf Tempo 100, bei 169 km/h ist dann Schluss.

Lada verbaut im Kalina und im Kalina Cross einen 1,6 Liter großen Sauger mit fast 100 PS.
Foto: Guido Gluschitsch

So schnell will man aber eh nicht fahren. Das lernt man gleich in der ersten etwas flotter angefahrenen Kurve, wenn man sich kurz nach dem Einlenken fragt, ob man je auf dem anderen Ende, noch irgendwo am Asphaltband, wieder rauskommen wird.

Voll die Härte

Lenkung und Fahrwerk sind wohl auf russische Straßenverhältnisse abgestimmt. Bei deren Schlaglöchern will man gar keine Rückmeldung über den Untergrund bekommen, und ob der Wagen jetzt gleich oder irgendwann einlenkt, ist ebenso wurscht. Wie es auch egal ist, ob er zur großen Verbeugung ansetzt, wenn man nur am Bremspedal ankommt. Apropos bremsen ... Nein, anders. Dort und da gibt's noch ordentlich Verbesserungspotenzial. Aber das entspricht ja eh den Erwartungen. Wie die Plastikverkleidungen, die sich mit Diamanten darum duellieren, wer nun härter ist.

Schade ist nur, dass Lada beim Cross auf seine Allradhistorie vergessen hat. Denn eines kann der beplankte Frontkratzer Kalina Cross sicher nicht, wofür der Taiga sogar berühmt ist. Gelände. (Guido Gluschitsch, 2.3.2016)