Linz – Orpheus, der umschwärmte Singer-Songwriter der griechischen Antike, hatte göttliche Unterstützung. Apollon, der Gott der Musik, schenkte ihm eine Lyra, auf der er so wunderbar spielte, dass selbst die Steine weich wurden. Tragisch, dass seine Ehefrau Eurydike nach einem Vergewaltigungsversuch durch Apollons Sohn Aristaios starb. Und dass Orpheus' Versuch, sie aus dem Hades zurückzuholen, misslang.
Christoph Willibald Gluck komponierte aus diesem Stoff seine Oper Orfeo ed Euridice, die 1762 in Wien uraufgeführt wurde. Jetzt hat Mei Hong Lin, seit 2013 Leiterin des Balletts am Linzer Landestheater, aus dem Stoff ein opernhaftes Tanztheaterstück choreografiert. Darin wird Orpheus' Schmerz über den Verlust Eurydikes zur Quelle der Inspiration.
"Immer wieder von vorn durchläuft Orpheus den Kreislauf aus Trauer, Katharsis und der erneuten Tragödie des Verlustes", heißt es in der Ankündigung des Musiktheaters Linz. Dort wird die Orfeo-ed-Euridice-Fassung der aus Taiwan stammenden Choreografin am Samstag uraufgeführt: unter Mitwirkung von Solisten des Linzer Opernensembles, einem Extrachor des Linzer Landestheaters und dem Bruckner Orchester. Die musikalische Leitung hat Daniel Linton-France inne.
"Orpheus' Annäherung an den Kern der Kunst zieht sich wie ein endloser Tanz durch seine Reise in die Unterwelt", und auch Eurydikes Tod wiederholt sich in Zyklen. Der hellenische Stoff wird hier unter dem Einfluss einer zyklischen Philosophie, wie sie für asiatische Kulturen charakteristisch ist, neu beleuchtet. Das macht Sinn. Denn bereits Glucks Librettist Ranieri de' Calzabigi hatte die unerfreuliche klassische Handlung unterlaufen und seine Eurydike durch Amors Wirken wiederauferstehen lassen. (Helmut Ploebst, 26.2.2016)