Die Parlamentswahl ist ein Testlauf für Präsident Hassan Rohani, der 2017 wieder Präsident werden will.

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Ali Akbar Hashemi Rafsanjani (bei der Stimmabgabe am Freitag) steht ebenfalls hinter Präsident Hassan Rohani.

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Teheran/Wien – Auch die Iraner und die Iranerinnen waren – ganz wie das Ausland – vor dem aktuellen Wahlgang am Freitag geteilter Auffassung, wie wichtig dieser eigentlich sei: ob er repräsentative Institutionen produzieren würde. Beobachter, aber auch die Mitglieder des Reformlagers selbst – das mit Präsident Hassan Rohani die Regierungsspitze stellt – schienen die Sorge zu hegen, dass gerade diese Frage junge progressiv denkende Wähler und Wählerinnen von den Wahlurnen fernhalten könnte: Denn viele der expliziten Reformkandidaten, darunter viele Frauen, waren vom Wächterrat ausgeschlossen worden.

Demnach ging es bei den Wahlen am Freitag nicht so sehr darum, ob die deklarierten Reformer gewinnen – sie können es nicht, denn zu wenige dürfen antreten -, sondern darum, wie groß in Zukunft im Parlament das Lager sein wird, das die Regierungspolitik von Präsident Rohani unterstützt. Dazu gehören neben Reformern durchaus auch Zentristen und moderate Konservative.

Hoffen auf Pragmatiker

Und da sahen die Chancen schon wieder besser aus, denn immerhin hat Rohani zwar nicht seine innenpolitischen, aber mit dem Atomdeal und der darauf folgenden Sanktionsaufhebung doch wichtige außenpolitische Versprechen, mit Wirkung nach innen, eingelöst. Das lässt manche Pragmatiker unter den Konservativen zwar nicht klar zu Rohani überlaufen, aber doch vom Kurs seiner Gegner abrücken, der ideologischen Hardliner, die die revolutionäre Identität des Iran in Gefahr sehen. Überhaupt sind bei Kandidaten fürs Parlament die Zugehörigkeiten oft nicht so genau festgelegt, sie vertreten lokale Interessen und sind sonst flexibel.

Es geht also für Rohani um nicht weniger als um eine Vorwahl zu den Präsidentschaftswahlen 2017. Noch nie wurde ein iranischer Präsident nach der ersten Amtsperiode abgewählt, aber Rohani hat formidable Gegner, die der obersten Führung viel näher stehen als die Gegner seines Vorgängers Mahmud Ahmadi-Nejad. Er braucht mehr Unterstützung im Parlament. Ein iranischer Reformer bezeichnete die Regierung Rohani jüngst als die "einsamste", die der Iran je gehabt habe.

Khatami auf Youtube

Anhänger Rohanis versuchten die Wahl deshalb als "zweiten Schritt" zu verkaufen: nach dem ersten, der 2013 mit der Wahl Rohanis getan worden war. Da waren die Reformwähler wieder zu den Urnen geströmt, nachdem die Parlamentswahlen 2012 weitgehend den Konservativen überlassen worden waren, von den Politikern und von den Wählern. Um zu mobilisieren, wandte sich zu Wochenbeginn sogar der im offiziellen Iran zu so etwas wie zur Unperson gewordene gescheiterte Reformer Mohammed Khatami via Youtube an die potenziellen Reformwähler.

Khatami war von 1997 bis 2005 Präsident, also Vorgänger Ahmadi-Nejads, und darf heute wegen seiner allzu offen gezeigten Sympathien mit der Protestbewegung nach Ahmadi-Nejads umstrittener Wiederwahl 2009 in den Medien nicht vorkommen – auch hochrangige ausländische Gäste, die ihn besuchen wollen, stoßen auf eine Mauer des Schweigens.

Und so lastet viel auf diesen Wahlen: die Zukunftsentscheidung, ob mit dem Atomdeal die Fähigkeit zur Öffnung des Iran erschöpft ist. Gewählt wurde außer dem 290-köpfigen Parlament auch der Expertenrat. Auch die Wahl dieses klerikalen Kollegiums zieht diesmal, wegen des fortgeschrittenen Alters von Ali Khamenei, mehr Interesse als früher auf sich: Denn der Wächterrat wählt den neuen religiösen Führer und setzt damit Weichenstellungen weit über die Amtsperioden des Parlaments oder der Regierung hinaus.

Rafsanjanis Comeback

Außer Khatami hat Rohani noch einen ehemaligen Präsidenten als Unterstützer: Ali Akbar Hashemi Rafsanjani (1989 bis 1997) hat zwar ebenso viele Feinde, aber er ist zu stark, um völlig aus dem Feld gedrängt zu werden. Er feiert im innenpolitischen Diskurs ein gewaltiges Comeback, mit Nonchalance spricht der 81-Jährige aus, was sich sonst niemand zu sagen traut: etwa die Frage, ob ein einzelner religiöser Führer die beste Lösung an der Spitze des Staates ist. Rafsanjani sitzt im Expertenrat und führt dort auch eine Pragmatikerliste an.

Rafsanjani wurde vorgeblich aus Altersgründen 2013 von der Präsidentenwahl ausgeschlossen und reagierte wütend auf die Entscheidung des Wächterrats, den Enkel von Revolutionsführer Khomeini für die Expertenratswahl zu streichen. Mit Hassan Khomeini wurde Wahlkampf betrieben, und Rafsanjani nannte ihn die "Imam Khomeini am ähnlichste Person". Das ist zwar hanebüchen, zeigt jedoch, worum es geht: um dem Kampf um die historische Legitimität derer, die die Zukunft des Iran bestimmen wollen. (ANALYSE: Gudrun Harrer, 27.2.2016)