Klagenfurt – Zwei ausgeschlagene Zähne, ein im Straßengraben dem sicheren Tod überlassener Hamster, ein angekotzter Kunstband, ein ertränktes Handy, fünfzig im Wohnzimmer zerfetzte gelbe Tulpen, ganz schön viele blaue Flecken und zwei zerrüttete Ehen.
Was sich Yasmina Reza für ihr 2007 uraufgeführtes, seitdem weltweit erfolgreiches Schauspiel Der Gott des Gemetzels auf unsere heile Welt zusammengereimt hat, ist eine Menge Unheil. Wie die Kulturjournalistin Iris Radisch 2012 sinngemäß bemerkt hat, wird in den Stücken Yasmina Rezas die zivilisatorische Tünche unserer Gesellschaft aber nicht nur abgekratzt, sondern in einem bestimmten Sinn auch wieder angeklebt.
Dass diese Figuren, die so nahe daran sind, einander zu zerfleischen, sich dabei zunehmend lächerlich machen, ist ihre komische Dimension, die selten so komisch, hintergründig und souverän herausgearbeitet wird wie jetzt in Michael Sturmingers Neuinszenierung von Der Gott des Gemetzels für das Klagenfurter Stadttheater.
Sabine Haupt und Andreas Patton sind das eine, Franziska Hackl und Roman Blumenschein das andere Ehepaar. Wie sie, angeblich um einen Pausenhofstreit ihrer elfjährigen Söhne beizulegen, einander vom ersten Wort an belauern, ist intensivstes Theater und wie ein Schaukampf in einem Vivarium.
Hamstermord
Tatsächlich ist die auf der Vorbühne von Renate Martin und Andreas Donhauser eingerichtete Spielfläche quasi ein Glashaus, in dem kräftig mit verbalen Steinen geworfen wird. So wird aus dem Jungen, der im Zorn zu einem Stock gegriffen hat, bald ein veritabler Henker, die Aussetzung des Hamsters genügt für einen Mordvorwurf, das Engagement für die Dritte Welt wird heruntergeredet zur bloßen Verlogenheit und der Anwalt hat sowieso keinen Charakter. Wenn die beiden Männer sich dann auch noch plötzlich an den John Wayne in sich erinnern, wird es vollends grotesk. Aber der Gewinn von Einsichten, der lachend erfolgt, ist vielleicht der nachhaltigste. Und das Publikum im Stadttheater lacht viel. (Michael Cerha, 26.2.2016)