Während die Briten zu Europas erfolgreichsten Rosinenfans mutiert sind und die Deutschen wieder einmal ihre Vorliebe für Pommes demonstriert haben, können wir darüber nachsinnen, was viele in Großbritannien als "Brüsseler Brotbrösel" betrachten. Was, außer den drei schmutzigen Hemden, hat Cameron von den Nachtsitzungen beim Europäischen Rat mit nach Hause gebracht?

Eine Entscheidung aller 28 Mitgliedsstaaten, mit der auf die Anliegen eines Landes eingegangen wird, bildet die Grundlage für das Referendum im Juni. Na klar, werden Sie sagen, noch mehr "Opt-outs" und Sonderbehandlungen für den Delinquenten. Kurioserweise war es jedoch die EU selbst, die sich die größte Mühe gegeben hat, diese speziell auf Großbritannien zuzuschneiden, zum einen in dem Versuch, der weitaus gewaltigeren Aufgabe einer EU-Reform zu entrinnen, zum anderen um zu verhindern, dass andere Länder auf den Zug aufspringen.

Viele Skeptiker in Großbritannien wären über eine tiefgreifende EU-Reform entzückt gewesen, insbesondere über eine Reform der heiligen Kuh, der gemeinsamen Agrarpolitik, doch reicht schon eine Andeutung aus, um die Franzosen in Raserei zu versetzen. Und natürlich gelten für Großbritannien weiterhin die Ausnahmeklauseln zur Euroeinführung und zum Schengenbeitritt.

Noch im Paket enthalten ist die Anerkenntnis, dass nicht alle Staaten gleich sind, wobei die Logik dieser Aussage nicht immer so selbstverständlich war, wie Sie vielleicht denken mögen. Großbritannien hat ein anderes Sozialversicherungssystem als "Europa". Und 2004 verzichtete es gemeinsam mit Irland und Schweden auf die Einführung von Übergangsregelungen zur Freizügigkeit und öffnete damit seinen Arbeitsmarkt für Migranten aus den neuen EU-Mitgliedsstaaten.

Die Kommission hat angedeutet, in Großbritannien gebe es Grund für die Anwendung einer sogenannten "Notbremse". Doch sind einige Klauseln abhängig davon, dass andere EU-Organe wie etwa das Europäische Parlament dies ebenfalls so sehen, weshalb diese Prämisse bestritten werden könnte. Stimmt es wirklich, dass das britische Sozialversicherungssystem wegen der Arbeitsmigranten kurz vor dem Kollaps steht, oder könnte es auch sein, dass die Geldknappheit von der Regierung verursacht wird? Solche Spitzfindigkeiten könnten die Wähler verwirren und sie dazu veranlassen, für den Brexit zu stimmen.

Seit seiner Rückkehr aus Brüssel hat Cameron nicht nur Justizminister Michael Gove, einen hochrangigen Intellektuellen, an das Brexit-Lager verloren, sondern auch den populistischen Bürgermeister von London, Boris Johnson, eine verheerende Kombination. Gove hat die Rechtsgrundlage des Deals infrage gestellt, indem er argumentierte, es handele sich nur um eine Vereinbarung zwischen den EU-Staaten, von der diese behaupten würden, sie sei mit den Verträgen vereinbar, obwohl es bisher keine Vertragsänderungen gebe.

Camerons Zukunft

Johnson hingegen scheint mit dem Gedanken "derf's ein bissl mehr sein" zu spielen. Meint er vielleicht, dass die Kanonen Europas, Juncker, Merkel und Tusk, mit festen Garantien und einem genauen Zeitplan für die Zugeständnisse in London einschlagen werden, wenn die Meinungsumfragen zum Brexit tendieren?

Ein knappes Ergebnis für den Brexit würde den schnellen Abgang von Cameron ankündigen, der das Vertrauen seines Kabinetts verlöre (Thatcher-Effekt). Sein Nachfolger muss einen Brief nach Brüssel schicken, um den Austrittsprozess in Gang zu setzen. Und wenn nicht? Was also passiert nach dem "Bye-bye David"? Es könne zu einem "Neverendum" kommen, mit neuen Verhandlungen, meinen Skeptiker. Cameron will daher klarstellen, dass Nein auch Nein bedeutet. Johnson entgegnet, die EU wache nur auf, wenn man Nein sage.

Volksabstimmungen sind in Großbritannien zur Norm geworden und legitimieren Machttransfers nach unten wie bei der Einrichtung des schottischen Regionalparlaments. Die Abstimmung entzweite Freunde, ganze Familien und riss fast das Land auseinander. Durch sie sollte die Frage "für die Dauer einer Generation" von der Tagesordnung verschwinden. Doch hat sich, trotz des Zugeständnisses von mehr Autonomie, das Gegenteil erwiesen.

Das letzte Mal, dass Großbritannien über den Verbleib im Projekt Europa abgestimmt hat, liegt über 40 Jahre zurück. Die meisten Briten unter 60 hatten nie die Möglichkeit, darüber zu entscheiden, ob sie Mitglied in einem Club sein wollen, dessen Regeln sich geändert haben. Können wir davon ausgehen, dass Jahrzehnte vergehen, bevor das "perfide Albion" wieder auf die Idee kommt, ein Votum abzuhalten? Dieses Mal dauert es vielleicht nicht so lange, selbst wenn man annimmt, dass die Briten sich für den Verbleib entscheiden. Das Paket muss umgesetzt werden. Und da liegt der Hase im Pfeffer oder wie Hamlet – scheinbar eines der Lieblingsstücke von Donald Tusk – sagen würde: "Ay, there's the rub".(Melanie Sully, 26.2.2016)