Gianni Infantino war emotional überwältigt. Er will ein Präsident für alle 209 Mitgliedsverbände sein: "Der Fußball soll im Zentrum stehen."

Foto: APA/AFP/FABRICE COFFRINI

Scheich Salman bin Ibrahim al-Khalifa hatte das Nachsehen.

Foto: APA/AFP/FABRICE COFFRINI

Zürich – Die Zürcher Präsidentenwahl wurde wie erwartet zu einer nervenzerfetzenden Angelegenheit, sie zog sich über gut fünf Stunden. Erst verzichtete der Südafrikaner Tokyo Sexwale auf sein Antreten, dann endete die erste Runde mit einem 88:85 für Gianni Infantino gegen Scheich Salman bin Ibrahim al-Khalifa. Der erste zweite Durchgang seit 1974 musste entscheiden. Und um genau 18 Uhr war die Überraschung perfekt. Infantino (45), der europäische Ersatzkandidat für Michel Platini, setzte sich mit 115:88-Stimmen gegen den Kandidaten aus Bahrain durch.

Auch mit der Stimme des österreichischen Fußballbundes, im Finale abgegeben von Horst Lumper, dem Präsidenten des Vorarlberger Verbandes. ÖFB-Chef Leo Windtner und sein General Alfred Ludwig waren nach dem ersten Wahlgang abgereist.Den Ausschlag für Infantino gaben die Stimmen der Zählkandidaten Prinz Ali bin Al Hussein (27) und Jérôme Champagne (7). die fast zur Gänze dem Europäer zugute kamen. Der Sieger war zunächst emotional überwältigt, versprach dann aber, ein Präsident für alle 209 Mitgliedsverbände zu sein. "Gemeinsam werden wir den Ruf der Fifa und die Achtung vor der Fifa wieder herstellen. Wir werden mit Hingabe arbeiten."

Skandale und Verluste

Stunden vorher hatte der Fußballweltverband einen ersten Schritt Richtung Neuanfang gesetzt. Die Fifa will sich im Kampf gegen Korruption und Betrug neu erfinden – einen Langzeitherrscher wie Ex-Präsident Joseph S. Blatter (79) wird es nicht mehr geben. Dafür war der Außerordentliche Kongress in Zürich allerdings auch die letzte Chance. Schließlich verfolgt nicht nur die Politik die Vorgänge genau. Auch einflussreiche Sponsoren sowie die Justizbehörden aus der Schweiz und den USA hatten den Neuanfang gefordert. Und die Flut an Skandalen geht auch ordentlich ins Geld. Die Fifa hat 2015 erstmals seit langer Zeit wieder Verluste geschrieben. Die konkreten Zahlen werden erst beim ordentlichen Kongress Mitte Mai in Mexiko vorgelegt, es soll aber um einen zweistelligen Millionenbetrag gehen. In der Haushaltsperiode von 2011 bis 2014 hatte die Beherrschung des Fußballs noch einen fetten Gewinn in Höhe von mehr als 313 Millionen Euro abgeworfen.

Reformpaket kommt

Kein Wunder also, dass am Freitag 179 von 201 gültigen Stimmen (89 Prozent) für ein Reformpakt abgegeben wurden. Unter anderem Gewaltenteilung, mehr Transparenz und Integrität sowie eine Frauenquote werden nun in die Fifa-Statuten implementiert. Die Veränderungen treten 60 Tage nach dem Kongress in Kraft.

Durch die wegweisende Entscheidung wird nun die Macht vom zuvor allmächtigen Exekutivkomitee, das in eine Art Aufsichtsrat mit mehr Mitgliedern (36 statt 24, darunter mindestens sechs Frauen) umgewandelt wird, zum Generalsekretariat wandern. Dort wird künftig das operative Geschäft mit den Milliardendeals abgewickelt. Der neue Rat, Fifa-Council genannt, ist hingegen nur noch für die politische Richtung verantwortlich. Der neue und eher repräsentative Präsident ist dadurch nicht mehr der rechtliche Vertreter des Weltverbandes und auch nicht mehr zeichnungsberechtigt.

Allerdings lauert da der erste Fallstrick. Der neue und nunmehr sehr einflussreiche Generalsekretär wird künftig zwar nicht mehr vom Präsidenten ernannt und entlassen. Der neue Boss schlägt aber weiterhin einen Kandidaten vor, der vom Council abgesegnet wird. Mit dem Nachfolger des Deutschen Markus Kattner, der die Verwaltung derzeit übergangsweise führt, steht und fällt deshalb der Neustart. Im neuen Rat wird zudem noch weiter der Großteil der Funktionäre sitzen, die in den vergangenen Jahren die Krise zu verantworten hatten. (sid, red, 26.2.2016)