Die Erhabenheit des Foro Italico mit seiner Batterie an marmornen Athleten, wachend unter Pinien, litt an diesem römischen Samstagnachmittag vielleicht etwas am flachen Licht aus grauem Himmel. Doch locker wettgemacht wurde das durch eine Invasion fröhlicher Massen, ausstaffiert in Grün-Weiß-Rot oder wagemutig im Kilt – je nachdem. Italiens Rugbynationalteam empfing im Olympiastadion jenes aus Schottland, die dritte Runde der Six Nations stand auf dem Programm.

Das Kräftemessen von Mittel- und Dunkelblau hat sich in den letzten Jahren quasi zum im Bewerb im Bewerb gemausert. Es geht dabei nämlich in der Regel um nichts weniger als das Abwenden der Schmach, das Turnier als Letzter zu beenden. Wie dem Champion der Silberpokal, so gebührt diesen Unglücklichen eine weit weniger erstrebenswerte Trophäe: nämlich der metaphorische Wooden Spoon des sportlichen Armenhäuslers.

Und tatsächlich: Sowohl Italiener wie Schotten hatten ihre beiden ersten Partien verloren. Es war also wieder einmal alles beim Alten. Konsistenz sei gefragt, hatte Andrea Cimbrico, der Medienmensch des italienischen Verbandes (FIR) dem STANDARD eingebläut. Fehler minimieren, so lange wie möglich dranbleiben. Dann sei der Erfolg möglich. Man weiß: 40, 50, 60 Minuten sind die Azzurri zu allem fähig, danach jedoch sinkt das Niveau zu oft zu heftig.

Genau dies gelingt zunächst einmal ganz und gar nicht. Flott und leichtfüßig übernahmen die Schotten das Kommando. Flüssig wurde der Ball auf die Flügel herausgearbeitet, die italienischen Verteidigungslinien hielten dicht wie ein Sieb. Zweimal brachen die Gäste linkerhand recht locker zu ebenso vielen Tries durch. Speziell sehenswert dabei war ein in aller Gemütsruhe vollendeteter Offload des bereits am Boden liegenden Stuart Hogg, der John Barcley auf die Reise schickte. Addiert man zu all dem noch eine ganze Reihe von Handling Errors ergab das ein veritables Desaster für die italienische XV. Es stellte dem Enthusiasmus ihres Anhangs ein durchaus exzellentes Zeugnis aus, dass auf den Rängen trotzdem recht erfolgreich La Ola angezettelt wurde.

Eine halbe Stunde brauchten ihre Mannen um aufzuwachen. Über den sehr lebhaften Michele Campagnaro und Kapitän Sergio Parisse wanderte der Ball zügig nach links heraus, wo Gonzalo Garcia noch ordentlich Meter machte. Die Überzahl war da und Leonardo Ghiraldini dampfwalzte über die Linie. 10:17. Die Intensität war plötzlich um zwei, drei Gänge nach oben geschnellt. Ein Match war ausgebrochen.

Nach der Pause probierte Italien viel, hatte gute Momente. Doch das größte Problem blieb man sich selber. Zu viele Fehler transformierten all die harte Arbeit in Stückwerk. Zu leicht handelte man sich zu viele Strafen ein, die Greig Laidlaw, wie ein Metronom kickend, in Punkte überführte. Zu mehr aber waren die Schotten nicht mehr in der Lage. Eine Stunde war gespielt und die Italiener bedrängten, wie immer inspiriert vom unermüdlichen Parisse ihre Gegner mit Macht. Emotionen begannen im selben Maße aufzulodern, als der schottische Abwehrkampf verzweifelter wurde. Marco Fuser, auf dem Grund eines Leiberhügels, brachte den Ball zum zweiten italienischen Versuch zu Boden (63.). Die Uhr war nun Schottlands bester Freund. Und doch: die Gäste behielten Nerven und kaltes Blut. Ihr Pack behielt im Srcum bis zum Schluss die Oberhand. Vor allem aber: im Gegensatz zu den Italiener nützten sie ihre Chancen: mit ihrer einzigen Offensivunternehmung entschied Schottland zwei Minuten vor dem Ende alles. Erneut bewies Hogg perfektes Timing, als er den exakt richtigen Moment wählte um einen kurzen Pass auf den mitlaufenden Tommy Seymour anzubringen, der danach nur noch freien Raum vor sich hatte. Dritter Versuch, 20:36, Endstand. Nach neun Spielen fand die Niederlagenserie Schottlands ihr Ende.

Und die Azzurri? Über ihnen baumelt der Löffel nun wie ein Damoklesschwert. Die Teilnahme an den berühmten Six Nations hat Italiens Rugby seit dem Jahr 2000 in eine neue Dimension katapultiert. Publicity – das ist heutzutage schließlich die allentscheidende Währung im Sport. Betrug das Budget der FIR damals etwa vier Milliarden Lire, so hat es mittlerweile hat es eine Größenordnung von 45 Millionen Euro erreicht. Auch die Zahl der Spiele ist sprunghaft gestiegen, von 25.000 vor 15 Jahren auf nunmehr etwa 110.000 – eine Steigerung von immerhin 500 Prozent. In absoluten Zahlen ist man damit die Nummer drei in Europa hinter England und Frankreich.

Und doch: Noch ist man über Platz vier nicht hinausgekommen. Auch eine Frage der Zeit, meint Cimbrico. Frankreich brauchte 40 Jahre bis zum ersten Championship. „Wir müssen unseren eigenen Weg finden, einen italienischen.“ Ganz klar ist noch nicht, wie dieser aussehen wird. Auch wenn die Begeisterung für das Team groß ist, und das Olimpico bei jedem Spiel voll ist.