Nicht nur die Außenansicht der dänischen Universität Aarhus ist ansprechend, insgesamt zeigt sich der dänische Staat gegenüber seinen Studierenden großzügig und finanziert sie mit 780 Euro monatlich.

Foto: Aarhus University Kommunication/Jesper Rais

Der Massagestuhl surrt und seufzt im Takt. Seine Rollen und Luftkammern arbeiten sich von oben nach unten an den Verspannungen einer Studentin ab. Er ist Teil des Wohlfühlprogramms, das die Hauptbibliothek der Universität Aarhus im dänischen Herning ihren Studierenden bietet. Zum entspannenden Ensemble gehören außerdem ein Flatscreen mit Playstation und ein E-Piano und drei weitere Massagestühle.

Die Ausstattung der Bibliothek liefert einen ersten Hinweis dar auf, dass Skandinavien bei Bildung nicht knausert. Den Beweis in Zahlen führt die OECD in ihrer Bildungsstatistik "Education at a Glance". Zwischen 1,5 Prozent und 1,8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts investiert die öffentliche Hand in Schweden, Norwegen, Finnland und Dänemark in den Hochschulsektor. Österreich liegt mit 1,7 Prozent innerhalb dieser Spanne. Und doch läuft im hohen Norden manches anders.

Keine Geldsorgen

So hört man immer wieder, dass Skandinavier frei von Geldsorgen studieren, aber stimmt das auch? "Ich kann mich nicht beschweren", sagt Joni Ylimaki, der im finnischen Joensuu Geschichte studiert. Pro Monat bekommt er rund 900 Euro vom Staat, die sich aus Studienbeihilfe, Wohnbeihilfe und 400 Euro zinsfreiem Kredit zusammensetzen. Außerdem isst Ylimaki in der Mensa um 2,10 Euro, wohnt in gefördertem Wohnraum und genießt seinen Kaffee meist mit Rabatt.

Der dänische Staat zeigt sich gegenüber seinen Studierenden noch großzügiger. Hier erhält ein Student rund 780 Euro im Monat. Norwegen unterstützt seine Studierenden mit rund 870 Euro. Davon müssen die Norweger jedoch für ein Bachelor-Studium 60 Prozent und für ein Master-Studium 50 Prozent zurückzahlen.

"Es gibt hier keine Kultur dafür, auf Kosten der Eltern zu leben", sagt die Psychologiestudentin Ida Campbell aus Oslo. Trotz des skandinavischen Sicherheitsnetzes und eines Nebenjobs plagen sie und ihre Studienkollegen manchmal Geldsorgen. Die steigenden Mieten in Oslo fressen ei nen Großteil der staatlichen Gelder. Und wer ein Pensum von 30 ECTS im Semester nicht erfüllt, zahlt die volle Semesterbeihilfe zurück.

Bildung kein Selbstzweck

Die skandinavischen Staaten greifen ihren Studierenden unter die Arme, aber Bildung ist auch hier kein Selbstzweck. Die heu tigen Systeme entwickelten sich aus der hohen Arbeitslosigkeit der frühen 1990er-Jahre. Die skandinavischen Länder – mit Ausnahme des ölreichen Norwegen – vermissen Rohstoffe und Industrie, um diesem Problem zu begegnen. So bleibt ihnen nur eines: die Investition in Wissen. Und dabei gehen sie mit Kalkül vor.

So steuert etwa Finnland die genaue Anzahl seiner Studierenden für alle Fächer. Ylimaki war einer von 30 Geschichtestudenten an der University of Eastern Finland, die der Staat ausbilden wollte. Um seinen Studientraum verwirklichen zu können, musste er sich fünf Jahre in Folge bewerben.

Schwedischer Nummerus clausus

In Schweden gilt ein System, das dem deutschen Numerus clausus ähnelt. Sind die Schul noten also nicht ausreichend gut, muss Plan B her. "Wenn man drin ist, dann ist man aber drin," sagt die Schwedin Andrea Ahlfont. Sie spielt auf die Unterstützung seitens der Universität und des Lehrpersonals für die Studierenden an. Die Dropoutquote ist vergleichsweise niedrig.

Ein Bestandteil des guten Lernklimas ist auch das zwischenmenschliche Wohlfühlprogramm. "Eine Mauer zwischen Professoren und Studierenden gibt es hier nicht", sagt Ahlfont. Dies schaffe eine offene Atmosphäre, in der jede Frage gestellt werden kann und es Platz für Kritik gibt. Auch der Begriff "überfüllte Hörsäle" trägt in Skandinavien eine andere Bedeutung als etwa in Österreich: Im Jus-Studium im finnischen Joensuu oder im Psychologie-Studium in Oslo gelten 80 Studierende in einem Raum schon als an onyme Studentenmasse.

Will man der skandinavischen Arbeits- und Lernkultur auf die Spur kommen, gilt es auch ein besonderes Konzept zu ver stehen – zu Dänisch "Hygge". Übersetzen lässt es sich am besten mit "es sich gemütlich machen", hat aber meist zusätzlich sozialen Charakter und wird ganz bewusst in den Tag eingeplant. Die weiteren skandinavischen Sprachen haben zwar kein eigenes Wort dafür, doch werden auch hier Arbeit und Studium in der Regel um 17_Uhr beendet – Prüfungsphasen ausgenommen.

Geplante Gemütlichkeit

Neben finanziellen Anreizen und einer Lernkultur der geplanten Gemütlichkeit unterscheidet sich Skandinavien auch im sozialen Netz auf dem Campus. Das entsteht in Schweden in den sogenannten Nations, einer Art Studentenorganisation. In Dänemark bringen die Freitagsbars der Institute Studenten und Professoren zusammen.

Insgesamt überzeugen skandinavische Unis auch in internationalen Rankings. Jedoch heißen die Länder nicht jeden willkommen. Einen sicheren Schlüssel zur Aufenthaltsberechtigung stellt die Staatsbürgerschaft in einem EU-Land dar. 2006 verloren Nicht-EU-Bürger in Dänemark den Anspruch auf kostenloses Studium, Schweden folgte dieser Politik 2011. Das hatte einen Einbruch von 8000 auf 2000 Studierende aus dem Nicht-EU-Ausland zur Folge, der nun langsam durch Stipendien abgefangen wird. Auch Finnland experimentiert mit Hürden für ausländische Studierende. (Marlis Stubenvoll, Alicia Prager, 28.2.2016)