Ein simulierter Würfel von 350 Millionen Lichtjahren Kantenlänge zeigt die Verteilung der baryonischen Materie im Cosmic Web. Die Berechnungen deuten darauf hin, dass in den Hohlräumen dazwischen bedeuten mehr Materie versteckt ist als bisher gedacht.

Illu.: Markus Haider / Illustris collaboration

Innsbruck/Wien – Das Universum besteht oberflächlich betrachtet aus gewaltigen, leeren Regionen, um die sich ein Netzwerk von Materie rankt. Im Englischen spricht man vom sogenannten Cosmic Web. Bisher ging man davon aus, dass diese Räume zwischen den kosmischen Filamenten tatsächlich keinerlei Materie enthalten. Nun aber berichten internationale Astrophysiker, darunter auch Forscher aus Innsbruck, dass die vermeintlichen Hohlräume in Wahrheit so leer gar nicht sind: Bis zu 20 Prozent der herkömmlichen Materie könnte sich dort befinden, schreiben die Wissenschafter in den "Monthly Notices" der Royal Astronomical Society. Verantwortlich dafür dürfte anscheinend die Aktivität von Schwarzen Löchern sein.

Alle bisherigen Messungen deuten darauf hin, dass das Universum nur zu knapp fünf Prozent aus sichtbarer, sogenannter baryonischer Materie besteht. Weitere rund 27 Prozent der Masse des Universums macht die immer noch nicht identifizierte Dunkle Materie aus, die allein über Gravitation wechselwirkt. Die restlichen 68 Prozent bestehen aus der noch rätselhafteren Dunklen Energie, die dafür verantwortlich ist, dass das Universum immer schneller expandiert.

Nach bisherigen Beobachtungen konzentrieren sich die sichtbare und Dunkle Materie auf die Filamente, die das kosmische Netz formen und die gewaltigen Hohlräume umfassen. Markus Haider vom Institut für Astro- und Teilchenphysik der Universität Innsbruck hat sich gemeinsam mit Kollegen aus Deutschland und den USA diese Materie-Verteilung genauer angeschaut.

Frühes Universum simuliert

Sie nutzten dazu Daten aus der Simulation "Illustris", eine "der bisher ausgeklügeltsten Simulationen über die Entstehung von Galaxien und die Anordnung der baryonischen und dunklen Materie in den Filamenten. Die Computersimulation setzt zu einem Zeitpunkt an, als das Universum erst zwölf Millionen Jahre alt war (heute ist es 13,8 Milliarden Jahre alt) und betrachtet einen würfelförmigen Ausschnitt mit einer Kantenlänge von 350 Millionen Lichtjahren.

Die Untersuchungen ergaben, dass 94 Prozent der gesamten Materie (also sichtbare und Dunkle Materie) auf die Galaxien bzw. die Filamente verteilt sind. "Nur sechs Prozent befinden sich in den Hohlräumen", sagte Haider. Diese Blasen nehmen aber 80 Prozent des Volumens des Universums ein, das Volumen der Galaxien beträgt hingegen nur 0,2 Prozent des Kosmos.

Gar nicht so hohle Hohlräume

Zur Überraschung der Wissenschafter zeigte die Simulation auch, dass sich rund 20 Prozent der baryonischen Materie in den Hohlräumen findet. Auch wenn es sich grundsätzlich um sichtbare Materie handelt, wird man sie kaum beobachten können, da es sich um ein sehr dünnes, kaltes Gas handelt.

"Wir gehen davon aus, dass supermassereiche Schwarze Löcher in den Galaxienzentren dafür verantwortlich sind", sagte Haider. Sie wandeln einen Teil der Materie, die sie verschlucken, in Energie um und strahlen diese wieder ab. Diese Energie wird auf umliegende Gaswolken übertragen. "Das führt zu starken Materieströmen, die sich Hunderte und Tausende Lichtjahre über die Galaxien hinaus in die Hohlräume hinein erstrecken", so der Astrophysiker.

Erklärung für das Missing-Baryon-Problem

Nicht nur die Erkenntnis, dass die Hohlräume deutlich mehr Materie als gedacht enthalten, ist für die Wissenschafter interessant. Es könnte auch eine Erklärung für das sogenannte Missing-Baryon-Problem sein, sagte Haider. Denn derzeit sieht man deutlich weniger normale Materie als im frühen Universum vorhanden war. Ein Teil dieses Verlusts könnte in der Materie liegen, die offensichtlich von den Schwarzen Löchern in die Hohlräume geblasen wird.

Die Ergebnisse solcher Simulationen hängen von diversen Annahmen etwa über die Schwarzen Löcher ab. Haider räumt ein, dass der Wert der in die Hohlräume geblasenen Materie auch geringer sein könnte. Das Ergebnis sei aber dennoch "relevant, weil es zeigt, dass sich ein gewisser Anteil der Materie dort verstecken könnte". Weitere Simulationen mit verbesserten Modellen sollen die Resultate verifizieren. (APA, red, 28.2.2016)