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Als Pornostar bediente Cicciolina die Fantasien – hier bei einem Filmfestival in Rio de Janeiro. Unter der Hotline 0800-205 242 können sich Betroffene unkompliziert beim Zentrum für Public Health des Wiener AKH melden und Beratungstermine vereinbaren.

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Wenn Sex in Sucht umschlägt, ist er nicht mehr lustvoll, sondern belastend und schädigend. Etwa fünf Prozent der Bevölkerung leiden in Österreich daran, sagte die klinische Psychologin Christina Raviola beim Interdisziplinären Symposium zur Suchterkrankung in Grundlsee in der Steiermark.

Die Tagung mit rund 180 Teilnehmern widmet sich medizinischen, psychologischen, psychosozialen und juristischen Aspekten der Suchterkrankungen. Sie bilden eine breite Palette an Störungen von der sogenannten substanzgebundenen Abhängigkeit (Alkohol, illegale Drogen) bis hin zur Spiel-, Internet-, Kauf- und schließlich zur Sexsucht.

Neu ist dieses exzessive Sexualverhalten nicht. Don Juan mit seinen allein in Spanien 1.003 Affären und die Schilderungen Casanovas sind vor Jahrhunderten in die (Opern-)Literatur eingegangen. 1886 definierte der Psychiater Richard von Krafft-Ebing die Störung als "Geschlechtstrieb, der das ganze Denken und Fühlen in Beschlag nimmt".

Im Dauerausnahmezustand

Was in der Phase der Verliebtheit "normal" ist, wird jedenfalls im Rahmen der Störung zur leidvoll erlebten Obsession. "In Ländern wie Deutschland und Österreich leiden an 'Sexsucht' etwa drei bis sechs Prozent der Gesamtbevölkerung, also um die fünf Prozent. Das Verhältnis von Männern zu Frauen beträgt fünf zu eins", sagte Raviola, die sich in Wien insbesondere der Behandlung Betroffener widmet. Mehrere Studien würden das belegen.

Der legendäre US-Sexforscher Alfred Kinsey hat Hypersexualität 1948 als eine Störung definiert, bei der zwanghaft mindestens sieben Orgasmen pro Woche über einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten erreicht werden. Das wird zumeist als wenig befriedigend empfunden, nach den Höhepunkten kommt es zu depressiven Stimmungen. Es existiert Leidensdruck.

"Wer mehrmals pro Tag masturbiert und ständig auf der Suche nach sexuellen Reizen ist, ist schon mittendrin im Suchtverhalten. Hypersexuelle Menschen haben Schwierigkeiten, Kontakte anzubahnen und Beziehungen zu halten", sagt die Expertin. Hinzu kommt der Zwang, ständig pornografische Darstellungen zu betrachten. Das Internet bietet dazu eine 24-Stunden-Gelegenheit, was bei den Betroffenen auch zu Vereinsamung und Vernachlässigung jedweder Sozialkontakte, von Schule und Beruf führen kann.

Pornos im Internet

"Inzwischen kommen schon Jugendliche ab der siebenten Schulstufe zur Therapie", sagt Raviola. Möglicherweise hänge das auch mit der wachsenden Häufigkeit von Hyperaktivitätsstörungen in dieser Altersgruppe zusammen. Cybersex ist immer verfügbar. "60 bis 70 Prozent der 13-Jährigen sind regelmäßig via Internet mit pornografischen Inhalten konfrontiert", so Raviola.

Trotz ihrer relativ großen Häufigkeit fand die "Sexsucht" bisher nicht Eingang in die internationalen Krankheitsregister. Es ist auch nicht ganz klar, ob es sich um Sucht, eine Zwangsstörung oder eine nicht ausreichende Impulskontrolle von Trieben handelt. Biologisch sind Verbindungen mit dem Dopamin- und/oder dem Serotoninsystem und eventuell auch mit ADHS gegeben.

Der Weg aus der "Sexsucht" ist oft lang und komplex. "Totalabstinenz über drei bis sechs Monate ist auf jeden Fall notwendig. Es geht um das Erlernen von Kontrollmechanismen", sagte die Expertin. Die Behandlung dauert ein halbes bis zwei Jahre. Wichtig sei auch die medikamentöse Therapie. Dabei kommen häufig selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRIs) zum Einsatz, die auch in der Behandlung von Depressionen verwendet werden. (APA, 29.2.2016)