In Österreich leben rund 1,5 Millionen Menschen mit chronischen Schmerzen. Seit Jahren werden auf diesem Gebiet große Defizite festgestellt, wesentliche Verbesserungen gab es bisher nicht, hieß es am Wochenende beim Interdisziplinären Symposium zur Suchterkrankung in Grundlsee (Steiermark).

Das erste Problem liegt darin, dass flächendeckende epidemiologische Studien fehlen. Die Zahl von 1,5 Millionen chronischer Schmerzpatienten beruht allein schon auf Schätzungen. "Wir haben keine fundierten Daten", sagte Wolfgang Jaksch, Präsident der Österreichischen Schmerzgesellschaft (ÖSG).

Die Spezialisten fordern seit Jahren ein mehrstufiges Versorgungssystem mit ausreichend niedergelassenen Allgemeinmedizinern, die in Schmerztherapie ausgebildet sind und dafür auch bezahlt werden. Hinzu kommen sollten eine genügende Anzahl an niedergelassenen Fachärzten für die Versorgung der Patienten sowie multimodale Schmerzambulanzen bis hin zu spezialisierten Abteilungen für die schweren Fälle.

Chronische Kreuzschmerzen

"Unter den 'Top Ten' der chronischen Erkrankungen in der vor kurzem veröffentlichten Gesundheitsbefragung der Statistik Austria finden sich gleich mehrere mit Schmerzen verbundene Erkrankungen", sagte Jaksch. So sind von chronischen Kreuz- und anderen Rückenschmerzen etwa ein Viertel der Österreicher betroffen. Nackenschmerzen und Beschwerden der Halswirbelsäule plagen fast 20 Prozent der Menschen. Acht Prozent der Frauen und 15 Prozent der Männer leiden an Arthrose.

Bei der Tagung war von teilweise monatelangen Wartezeiten auf Termine in Ambulanzen die Rede. "Und dabei werden derzeit immer mehr Schmerzambulanzen in den Krankenhäusern zugesperrt", kritisierte Jaksch. 2015 existierten an die 40 spezialisierte Schmerzambulanzen, aus Kostengründen um neun weniger als noch zwei Jahre davor. "Wir wissen nicht einmal, ob nicht in der Zwischenzeit wieder eine solche Ambulanz zugesperrt wurde." Vor Jahren hätte man der Gesundheitspolitik bereits ein fertiges Konzept für ein österreichweites Versorgungsnetz vorgelegt. Es sei schubladisiert worden.

Wie immer in solchen Fällen trifft die Problematik am ärgsten jene, die nicht protestieren können, sozial und finanziell Benachteiligte. "Schmerzpatienten gehen nicht auf die Straße", sagte in Grundlsee eine Patientin, die sich für die Selbsthilfe und für die Vertretung der Betroffenen in einem eigenen Verband engagiert. Zu den Benachteiligten zählen oft auch Frauen, die mit ihren Beschwerden unbehandelt bleiben.

Altersbedingtes Phänomen

Eine andere Gruppe von Schmerzpatienten, die deutlich unterversorgt ist, sind ältere Menschen. Das gilt speziell für jene aus dieser Altersgruppe, die in Institutionen leben. In einer Studie gaben vor kurzem Bewohner von Alters- und Pflegeheimen mit einer Häufigkeit von 40 bis 68 Prozent an, schon Schmerzen verschwiegen zu haben oder sie als "altersbedingt" ohne entsprechende Therapie "hinzunehmen".

"Der Zugang zu einer optimalen und ganzheitlichen Schmerztherapie für alle, die sie benötigen, ist der Volksanwaltschaft ein besonderes Anliegen", sagte Volksanwalt Günther Kräuter in einer Podiumsdiskussion. "Der Medikamenteneinsatz ist generell ein Schwerpunktthema der Volksanwaltschaft. Unser geplanter Bericht an das Parlament wird sich aber auch mit dem sensiblen Thema auseinandersetzen, wie mit Schmerzen in Alters- und Pflegeheimen umgegangen wird."

Stigmatisiert und diskriminiert werden offenbar auch Opiatabhängige mit chronischen Schmerzzuständen. Ihre Zahl wird immer größer, weil mit der Substitutionstherapie und der verbesserten psychosozialen Versorgung viel mehr Betroffene ein höheres Alter mit chronischen und schmerzhaften Erkrankungen erleben. Hier fehlt aber auch oft das Fachwissen der Schmerztherapeuten, wie mit diesen Abhängigen umgegangen werden müsste. Jaksch forderte in diesem Zusammenhang mehr Kooperation zwischen Schmerz- und Suchtspezialisten. (APA, 29.2.2016)