Ein westafrikanischer Schimpanse schleuderte gerade einen mächtigen Stein gegen einen Baumstamm. Womöglich dient das bizarre Verhalten dazu, das Territorium gegen Artgenossen abzugrenzen.

Foto: MPI-EVA PanAf / Chimbo Foundation

Sieht eher furchteinflößend aus: Schimpanse bei der Wurfübung.

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Das Produkt des seltsamen Rituals: ein Stamm mit Steinen.

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Leipzig/Wien – Dass Schimpansen Werkzeuge verwenden, weiß die Wissenschaft seit langem. Die ersten Experimente, die das dokumentierten, machte der deutsche Psychologe Walter Köhler während des Ersten Weltkriegs auf Teneriffa. Jane Goodall war dann die erste Forscherin, die Werkzeuggebrauch bei Schimpansen in freier Wildbahn dokumentierte.

Seit mehr als einem halben Jahrhundert wird dieses Verhalten mittlerweile in Ost- und Westafrika beobachtet. Heute weiß man, dass Schimpansen nicht nur mit Stöcken nach Termiten oder Ameisen angeln oder damit Honig aus Bienenstöcken holen. Sie knacken zum Beispiel mit Hämmern aus Stein oder Holz auch Nüsse.

Die Forschungen zeigten aber auch, dass es so etwas wie eine Kulturabhängigkeit des Verhaltens gibt: Ein bestimmter Werkzeuggebrauch in einer Population muss nicht automatisch bedeuten, dass er auch in einer anderen Gruppe vorkommt. Und mitunter werden Verhaltensformen beobachtet, die den Wissenschaftern nach wie vor Rätsel aufgeben.

Mysteriöser Steinhaufen

Über eine besonders eigenwillige und lokal begrenzte Form des Werkzeuggebrauchs in Westafrika berichten Forscher um Hjalmar Kühl vom Leipziger Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie im Fachblatt "Scientific Reports". Dem Projektteam fielen an vier Forschungsstätten in Liberia und Guinea neben Bäumen und in hohlen Baumstämmen auffällige Steinhaufen auf. Kamerafallen bestätigten dann den Verdacht, dass Schimpansen dafür verantwortlich sind. Die Filme zeigten Menschenaffen, die neben Bäumen liegende Steinbrocken aufhoben, gegen die Bäume warfen und dabei laute Rufe ausstießen.

MaxPlanckSociety

Rituale der Abgrenzung?

Im Gegensatz zu anderer Werkzeugnutzung scheint das nun beobachtete Verhalten nicht mit der Nahrungssuche zusammenzuhängen. Doch wozu dient es sonst? Die Forscher vermuten, dass es sich um ein ritualisiertes Verhalten handeln könnte, mit dem Männchen ihr Territorium abstecken, quasi nach dem Motto "Hier bin ich, wo seid ihr?" Damit würde es einem ähnlichen Zweck dienen wie das Trommeln mit Händen und Füßen gegen Wurzeln. Allerdings praktizieren auch Jungtiere und Weibchen das Steinritual.

Auffällig sei außerdem die Ähnlichkeit der Steinhaufen mit von Menschen geschaffenen rituellen Stätten. "Man könnte hier nach Parallelen fragen", sagte Kühl, der weitere Untersuchungen plant, um das Verhalten zu enträtseln. (Klaus Taschwer, 1.3.2016)