Erleichterung nach fünfeinhalb Stunden intensiver Verhandlungen: AK-Direktor Muhm, Sozialminister Stöger, Finanzminister Schelling und ÖVP-Abgeordneter Wöginger präsentieren ihre Einigung.

Foto: Christian Fischer

Vizekanzler Reinhold Mitterlehner, Arbeiterkammer-Direktor Werner Muhm und Finanzminister Hans Jörg Schelling in einer Verhandlungspause am Montag

Foto: STANDARD/Christian Fischer

Wien – Im Finale wurde es noch einmal hektisch. Die Verhandlerteams von Rot und Schwarz zogen sich nach rund vier Stunden zu fraktionellen Besprechungen zurück. Beim schwarzen Team schaute sogar Parteichef Reinhold Mitterlehner kurz vorbei. Nach knapp fünfeinhalb Stunden Pensionsgipfel traten Sozialminister Alois Stöger (SPÖ), Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) und die Mitverhandler Werner Muhm (AK-Direktor) sowie August Wöginger (ÖVP-Sozialsprecher) schließlich vor die Medien.

Bei einem Punkt gab es schon im Vorfeld eine weitgehende Annäherung: Die Rehabilitation für gesundheitlich angeschlagene Arbeitnehmer müsse verbessert werden. Um dieses Ziel zu erreichen, verabschiedeten SPÖ und ÖVP schließlich ein Maßnahmenpaket – "der größte Block" der Übereinkunft, wie Schelling sagte.

Kleinere Kommission

Weitere Neuerung: Die derzeit 34-köpfige, mit vielen Interessenvertretern beschickte Pensionskommission, die bisher oft nicht auf einen gemeinsamen Nenner kam, wird auf ungefähr die Hälfte verkleinert, aber mit "internationalen Experten" ergänzt, erklärte der Finanzminister. Schellings Darstellung zufolge soll die Regierung verpflichtet werden, diese Empfehlungen umzusetzen oder alternative, für das Pensionssystem gleichwertige Maßnahmen zu setzen. Fest stehe: "Die Regierung muss handeln."

Diese Frage zählte zu den umstrittensten bei den Verhandlungen. Die SP-Seite pochte stets auf das Primat der Politik und verwahrte sich dagegen, den Spielraum der Regierung einzuschränken. Viel wird dabei noch von den Details im konkreten Konzept abhängen.

Frauen als Streitthema

Thema war auch die Ungleichbehandlung der Frauen. Laut Status quo wird das gesetzliche Pensionsalter der Frauen (derzeit 60 Jahre) erst ab 2024 schrittweise auf das Niveau der Männer (65 Jahre) angehoben – was der ÖVP zu langsam geht. Allerdings gaben die Schwarzen im Laufe der Verhandlungen das Ziel einer rascheren Angleichung auf.

Hintergrund: Sofern die SPÖ überhaupt von ihrem Nein abgerückt wäre, hätte sie von der ÖVP eine schmerzhafte Gegenleistung verlangt; zum Beispiel ein schärferes Bonus-Malus-System für die Unternehmer. Diesen Preis, so die Angst auf schwarzer Seite, hätte man am Ende womöglich umsonst bezahlt: Eine Anhebung des Frauenpensionsalters müsste im Parlament mit Zweidrittelmehrheit beschlossen werden – doch FPÖ und Grüne waren bislang dagegen.

Arbeit attraktiver machen

Ganz haben die Verhandler das Frauenthema letztlich aber nicht beiseite geschoben. Die Ausgleichszulage (eine Art Mindestpension) wird für Menschen, die mindestens 30 Beitragsjahre vorweisen können, von derzeit 883 Euro auf 1000 Euro angehoben. Laut Regierung profitieren davon rund 20.000 Personen – und eben vor allem Frauen. Die Kosten dürften bei etwas mehr als 30 Millionen Euro pro Jahr liegen.

Zudem können bis zu 96 Monate an Kindererziehungszeiten dafür verwendet werden, um Anspruch auf eine Ausgleichszulage zu bekommen.

Ausgeweitetes Pensionssplitting

Ausgeweitet wird weiters das sogenannte Pensionssplitting. Dabei kann der eine Elternteil zugunsten des anderen, der sich der Kindererziehung widmet, auf bis zu 50 Prozent seiner Teilgutschrift für das Pensionskonto verzichten. Bisher ist das für die ersten vier Jahre nach der Geburt des Kindes möglich, künftig werden pro Kind bis zu sieben Jahre möglich sein, insgesamt maximal 14 Jahre.

Und schließlich soll es einen höheren Bonus für all jene geben, die über das gesetzliche Pensionsalter hinaus arbeiten. Dies gilt aber für beide Geschlechter: Frauen, die über 60 Jahre hinaus im Beruf bleiben, und Männern, die länger als bis 65 arbeiten, wird für drei Jahre die Hälfte der Pensionsversicherungsbeiträge erlassen.

Bessere Reintegration

Bei der Reform des Rehabilitationsgeldes, das Menschen, die vorübergehend arbeitsunfähig werden, bekommen, haben sich SPÖ und ÖVP weitgehend an Vorschlägen der Sozialpartner orientiert. Wie berichtet sollen Pensionsversicherung, AMS und Krankenkassen besser zusammenarbeiten, damit die Reintegration in den Arbeitsmarkt gelingt (bisher ist das kaum der Fall).

Um eine mögliche Berufsunfähigkeit bereits frühzeitig zu erkennen, werden Menschen, die länger als 28 Tage durchgehend in Krankenstand sind, gezielt von den Krankenkassen beraten. Wer bereits seit Jahren eine befristete Invaliditätspension bezieht, darf damit rechnen, dass er die Pension unbefristet bekommt. Der Hintergrund: In vielen Fällen werden die Chancen auf eine berufliche Umschulung als gering eingestuft, daher will man sich vor allem auf jene Fälle konzentrieren, bei denen man gute Chancen sieht.

Gemeinsames Pensionsmonitoring

Fixiert wurde auch, dass es künftig ein gemeinsamen Pensionsmonitoring für die ASVG-Versicherten und die öffentlich Bediensteten geben soll. Sehr vage blieb Schelling bei der Ankündigung, die Harmonisierung der verschiedenen Pensionssysteme vorantreiben zu wollen. Das sei wohl eher etwas für die nächste Legislaturperiode, meinte er. Für AK-Direktor Werner Muhm war nach dem Pensionsgipfel ohnehin klar: "Ich gehe davon aus, dass das Thema Pensionen für diese Legislaturperiode erledigt ist." (go, jo, 29.2.2016)