Dominic Thiem zu Gast in Wien-Leopoldstadt. Sein Chelsea-Trikot hat er mitgebracht, Coach Günter Bresnik ist auch mit von der Partie.

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Wien – Kurzzeitig ist Dominic Thiem fremdgegangen. In Acapulco war er in einem Dress der "El Tri", also der mexikanischen Fußballnationalmannschaft zur Siegerehrung angetreten. Am Montag trug der 22-jährige Österreicher bei einer kurzfristig anberaumten Pressekonferenz in Wien dann doch wieder sein geliebtes Chelsea-Trikot. Die Zuneigung wird erwidert, der Premier-League-Verein gratulierte dem Tennisprofi auf der offiziellen Webseite zu den jüngsten Erfolgen: "Da habe ich mich gefreut wie ein kleines Kind".

Zwei ATP-Turniere hat Thiem in diesem Kalenderjahr bereits gewonnen, nur zwei Spieler haben seit Jänner mehr Punkte gesammelt: Novak Djokovic und Andy Murray. "Eine Momentaufnahme, es ist erst Ende Februar", sagt die Nummer 14 der Weltrangliste. Auch die offenkundige Nervenstärke will der Youngster nicht überbewerten: "Oft geht es um ein paar Zentimeter, diese Bälle können genauso gut ins Out gehen." Bei Thiem fallen sie in letzter Zeit verdächtig oft ins Feld. Ob er sich nach Siegen gegen Rafael Nadal und David Ferrer vielleicht sogar unverwundbar fühlt? "Nein".

Die neue Euphorie

So gelassen sich Thiem ob seines Erfolgslaufs auch gibt, er hat in Österreich eine lang vermisste Tenniseuphorie entfacht. Menschen stellen sich am Sonntagmorgen den Wecker auf vier Uhr früh, Journalisten reißen sich um eine Wortspende. Das "Nacho Libre" am Campus der Wirtschaftsuniversität ist für den Anlass ein wenig zu klein geraten. Die Hoffnung einen Spieler in die Top Ten einzuschleusen, setzt Kräfte frei. "Siege gegen Nadal oder Ferrer bedeuten eine Initialzündung für den österreichischen Tennissport", sagt sein Coach Günter Bresnik.

Die Planung für die kommenden Wochen und Monate hat es in sich. Zuerst der Daviscup in Portugal, dann Indian Wells, Miami, Monte Carlo, München, Madrid, Rom, Nizza und Roland Garros. Bresnik: "Und wenn es bisher nicht so gut gelaufen wäre, hätten wir Marrakesch auch mitgenommen".

Ob die Strapazen nicht Überhand nehmen könnten? "Dominic ist noch jung, er muss belastbar sein. Und ein Turnier ist im Vergleich zu einer Trainingswoche ohnehin angenehm." Auch im Doppel wird Thiem weiterhin antreten, er sieht darin keine große Belastung. Nur in Wimbledon will er verzichten, dort wird auf drei Gewinnsätze gespielt.

Zu behebender Makel

Noch zeigt Thiem keine Anzeichen von Müdigkeit, er fühlt sich topfit, erduldet alle Fragen, blickt nur gelegentlich auf sein Handy. Im Daviscup soll ihm am kommenden Wochenende nach drei Einzelniederlagen endlich der erste Sieg gelingen, die bisherige Bilanz ärgert ihn: "Das möchte ich ausmerzen."

Gegen den Portugiesen Gastao Elias (ATP-Nr. 121) hatte Thiem in der zweiten Runde von Buenos Aires einen Matchball abwehren müssen, und die portugiesische Nummer eins, Joao Sousa (ATP-Nr. 37), ist ohnehin nicht zu unterschätzen. Bresnik ist von der Reise seines Schützlings nach Guimaraes weniger angetan, die viele Fliegerei sei der sportlichen Leistung nicht unbedingt hilfreich: "Aber Dominic muss das entscheiden."

Olympia kein großes Thema

Die Begeisterung für die olympischen Spiele ist bei Spieler und Trainer hingegen gleich groß geraten. "Null Stellenwert", sagt Bresnik. "Ich weiß noch nicht, ob ich spiele", sagt Thiem. Welche Faktoren über ein Antreten in Rio entscheiden, war auch nicht zu klären: "Weiß ich nicht. Aber ein 500er-Titel bedeutet mir mehr als eine Olympiamedaille." Man muss Prioritäten setzen, vielleicht spielt ja auch Chelsea. (Philip Bauer, 29.2.2016)