Sozialminister Alois Stöger bei den nächtlichen Verhandlungen im Sozialministerium.

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Wien – Sieben Pensionsreformen gab es seit 1993. Und für ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner ist klar, dass die aktuelle "nicht die letzte gewesen sein wird", wie er nach dem Ministerrat erklärte. In der Nacht zuvor hatten sich Rot und Schwarz nach stundenlangen Verhandlungen auf diverse Maßnahmen im Pensionssystem geeinigt.

Der Teufel liegt aber bekanntlich im Detail, und so zeigte sich am Dienstag, dass noch wichtige Fragen offen sind.

Wie in Teilen der Dienstagausgabe berichtet, soll die derzeit 34-köpfige Pensionskommission deutlich verkleinert werden. Wer ihr genau angehören wird, ist aber unklar. Experten von Wifo, IHS, Pensionsversicherung und Beamtenversicherung sollen jedenfalls nur kooptiert und somit nicht stimmberechtigt sein. Selbiges gilt für zwei internationale Experten.

Für künftige Reformen wird die Frage der Besetzung aber eine nicht unwesentliche sein. Die Kommission soll nämlich der Koalition Reformvorschläge unterbreiten. Und die Regierung soll gezwungen sein, entweder diese zu beschließen oder gleichwertige Alternativen vorzulegen und dem Nationalrat zu übermitteln.

Mitterlehner lobte die "Verbindlichkeit" des Kompromisses. Sozialminister Alois Stöger (SPÖ) deponierte aber mehrfach, das Primat der Politik bleibe gewahrt. Und er kündigte an, auch in Zukunft die Sozialpartner in die Kommission entsenden zu wollen. Kanzler und SPÖ-Chef Werner Faymann gab sich konziliant. Es sei klar, dass man "immer wieder Schritte" setze.

Einen Kulturwechsel erhofft sich Mitterlehner durch die Förderung des Arbeitens über das gesetzliche Antrittsalter hinaus. Beschlossen wurde ein Bonus: Frauen, die auch nach Erreichen des gesetzlichen Pensionsalters von 60 Jahren weiterarbeiten, müssen bis zu drei Jahre lang nur den halben Pensionsversicherungsbeitrag zahlen. Bei Männern gilt dasselbe Angebot für die Jahre 65 bis 68.

Bonus für Ältere

ÖVP-Chef Mitterlehner geht davon aus, dass durch diese Förderung schon in wenigen Jahren das faktische Antrittsalter (derzeit 59,2 Jahre) bei den Frauen über dem gesetzlichen liegen wird.

Gleichzeitig gibt es aber eine Verschlechterung für jene, die zwar weiterarbeiten, aber auch eine Pension beziehen. Bei ihnen wird die Pension reduziert, wenn der Zuverdienst über der Ausgleichszulage (883 Euro) liegt.

Ein Beispiel: Eine 61-Jährige verdient 2.000 Euro in der Pension dazu. Ihr Pensionsanspruch würde dann um die Hälfte der Differenz zwischen Ausgleichszulage und Einkommen (hier also 558,5 Euro) sinken. Ziel sei es eben, die Leute zum Weiterarbeiten ohne Pensionsbezug zu animieren, heißt es dazu im Sozialministerium. Derzeit darf man bei Erreichen des gesetzlichen Antrittsalters unbegrenzt dazuverdienen. Voraussichtlich wird die Änderung nur für neue Pensionisten gelten, endgültig geklärt ist das aber noch nicht.

Mitterlehner gab auch Einblick in die Motive, warum man von weitergehenden Einschnitten abgerückt ist: Angesichts der hohen Flüchtlingszahlen gebe es "irrationale Ängste", dass wegen der Kosten für die Flüchtlinge Geld für die Pensionen fehle. Und darauf habe man reagiert. Vor diesem Hintergrund ist auch die Anhebung der Mindestpension (Ausgleichszulage) zu sehen. Personen mit mehr als 30 Beitragsjahren sollen demnach eine erhöhte Ausgleichszulage bekommen – 1.000 statt 883 Euro. Am detailliertesten liegen die Kompromissvorschläge zu den Bereichen Invaliditätspension und Rehabilitation vor.

Und was sagen die Experten? "Der große Wurf ist es nicht geworden", resümiert Wirtschaftsforscher Ulrich Schuh vom industrienahen Institut Eco Austria. Die einzelnen Maßnahmen seien fast durchwegs zu begrüßen, sagt er, doch mit all dem "Flickwerk" biete die Regierung keine überzeugende Antwort auf die Finanzierungsfrage.

Für stabil hält Schuh das System nur so lange, wie sich die demografischen Szenarien nicht verändern. Verschlechterten sich aber die Rahmenbedingungen, sei mangels einer Pensionsautomatik völlig unklar, was die Jungen erwartet. "Nichts Neues" birgt für Schuh der Gerechtigkeitsmechanismus. Schon jetzt habe die Pensionskommission der Regierung Vorschläge zu unterbreiten, nur habe man sich nie an das Gesetz gehalten: "Dass die geltende Rechtslage als neue Maßnahme verkauft wird, ist fast schon dreist." Schuh geht davon aus, dass die Kommission auch in Zukunft von SPÖ und ÖVP proporzmäßig besetzt wird: "Die Pattsituation wird es weiter geben."

Thomas Url vom Wifo setzt etwas größere Hoffnungen in die neu aufgestellte Kommission. Einsparungen erwartet er von zwei Maßnahmen: den Reformen bei der Invaliditätspension und dem Bonus fürs längere Arbeiten. Reichen werde das aber nicht, um den Zuschuss aus Steuergeld ins Pensionssystem auf dem heutigen Niveau zu halten, so Url. (Günther Oswald, Gerald John, 1.3.2016)