Pizza und Knödel, Schlutzer und Schmarrn bietet das neue Alto in Wien-Hernals.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Die Pizza Alto, mit Mozzarella, Bergkäse, Trockentomaten und Schinkenspeck ist ein ordentlich knuspriger Schinken-Käse-Toast.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Die Idee klingt aufs Erste so abwegig, dass sie fast komisch ist: In einem ehemaligen Nobellokal, weit draußen in Dornbach, ist eine "Südtiroler Trattoria" eingezogen, die sich im Wesentlichen auf Pizza spezialisiert. Okay, eine "Knödeltrilogie" (mit Champignonsauce ...) und dünngummige Schlutzkrapfen werden auch geboten, allerdings in Ausformungen, die Südtiroler bei der Wiedererkennung vor eine Aufgabe stellen dürften.

Dafür ist die Pizza knusprig, wird auf Wunsch aus Roggenteig gemacht und mit Produkten belegt, die jeder Brenner-Reisende als südtirolerisch identifiziert: Graukas etwa, Apfelspalten, Weintrauben oder Schinkenspeck. Klingt seltsam, ist es auch. Dafür gibt es mehr als beachtliche Weine von einigen der herausragenden Winzer Südtirols.

Ganz so skurril ist das Konzept aber auch wieder nicht, immerhin wächst sich diese Art von Schüttelbrotpizza in Südtirol zum Trend aus: Erst spielten sich Spitzengastronomen wie Herbert Hintner von der Rose in Eppan mit der Idee, das traditionelle Roggenknusperbrot der Dolomiten als Pizzabasis zweckzuentfremden, inzwischen backen zahllose Pizzerien ihre Teigfladen auf Wunsch mit Roggenmehl.

Rosengarten und Drei Zinnen

René Steindachner ist der Mann, der sich diesen Trend für sein neues Projekt in der Dornbacher Straße zu eigen machen will. Das Lokal hat eine lange Geschichte, vor vielen Jahrzehnten war es als Goldene Waldschnepfe eine Ausflugsdestination, dann ein Filmstudio. Seit der Wiederauferstehung als Restaurant vor ein paar Jahren wechselten Betreiber und Konzepte rasant, zwischendurch stand es auch immer wieder leer.

Das soll dank des neuen Betreibers vorbei sein, immerhin hat Steindachner mit dem Café Français bei der Votivkirche gezeigt, dass er selbst die kassengiftigsten Adressen in Goldgruben zu verwandeln weiß. Eine Pizzeria betreibt er mit dem Grinzinger Francesco auch schon – was soll also schiefgehen? Mal sehen. Am besten aufgestellt ist jedenfalls die Weinkarte, mit großen Südtiroler Namen wie Elena Walch, Manincor und Alois Lageder zu fair kalkulierten Preisen.

Die Pizzen geraten anständig, statt Vesuvio oder Romana heißen sie halt Rosengarten oder Drei Zinnen. Letztere vereint Paradeissauce, Berg- und Schafkäse mit Gorgonzola und in Süßwein marinierten Apfelspalten, eine wagemutige Kombination, die weniger arg schmeckt, als sie aufs Erste klingen mag. Südtiroler Käse taugt ohnehin mehr fürs Frühstück als für aromatische Spannung, die eher freihändige Interpretation von Regionalität ist also zumindest geschmacklich kein Fehler.

Die Trauben des März

Immerhin: Auf die Pizza Rosengarten wird Graukäse gestreut, von der topfigen Sorte, sodass er sich gekonnt hinter dem Rauchgeschmack von Fettspeck verstecken kann. Alto, mit Mozzarella, Bergkäse, Trockentomaten und Schinkenspeck (siehe Bild) ist ein ordentlich knuspriger Schinken-Käse-Toast – Weintrauben zum Drüberstreuen klingen zwar echt und regional, kommen dieser Tage halt eher aus Südafrika als -tirol.

Perlhuhn aus dem Suppentopf entpuppt sich auf dem Teller als recht rabiat mit Rotwein niedergeschmortes Hendl mit Erdäpfeln und Wurzelgemüse, tadellos für ein studentisches Abendessen, um 19 Euro aber eine Fehlbesetzung. Dass Großmeister Meinrad Neunkirchner, einer der wunderbarsten Köche des Landes, nach seinem Abschied im Freyenstein hier am Herd stehen soll, wurde zwar lautstark kolportiert, fällt angesichts des Angebots aber unter kulinarische Rufschädigung. Dem Vernehmen nach könnte er sich in Zukunft mit gutem Rat einbringen. Man wird sehen, was dann auf der Pizza landet. (Severin Corti, RONDO, 4.3.2016)