Das Behindertenheim Konradinum beschäftigt jetzt wieder die Gerichte.

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Salzburg – Das Land Salzburg steht vor einem großen Heimskandal. Seit beinahe einem Jahr weisen die Vertreter der Bewohner des Salzburger Heimes für Schwerstbehinderte vom Verein Vertretungsnetz – Bewohnervertreter auf die Missstände im Heim Konradinum hin. Auch die Volksanwaltschaft ist in der Causa bereits aktiv geworden.

Es geht um Freiheitsbeschränkungen mittels Psychopharmaka und Freiheitsentzug mittels Gurten. In vier Fällen – insgesamt leben in dem Eugendorfer Heim 34 Menschen – hat das Gericht auf Antrag der Bewohnervertretung bereits eindeutige Beschlüsse gefasst.

Ein Beispiel: "Die Art und Weise, wie der Bewohner derzeit lebt, ist aus heilpädagogischer Sicht abzulehnen." Und weiter: "Die derzeitige Betreuungssituation ist als sekundär behindernd einzustufen." Als "Akutmaßnahme" hat das Gericht festgestellt, dass eine 1:1-Betreuung auch im Sinne der Gefahrabwehr notwendig sei. Das war im August 2015.

"Basale Existenz"

Die dahinterstehenden menschlichen Schicksale gehen auch erfahrenen Sozialarbeitern nahe. Eine Frau lebt seit fast vier Jahrzehnten im Konradinum. Laut Gutachten hat die Art der Unterbringung ihre Situation deutlich verschlechtert.

Im Fall eines vor mehreren Jahren ausgeschulten Jugendlichen wurde – die laut Medizinern durchaus erwünschte – Wiedereinschulung so lange hinausgeschoben, bis altersbedingt die Schulpflicht vorüber war. Nach dem STANDARD vorliegenden Informationen dürfte der Jugendliche – statt des Schulbesuchs – zumindest einmal in der Psychiatrie 60 Stunden durchgehend mit Gurten fixiert worden sein – "reduziert auf die basale Existenz", wie das im Fachjargon heißt.

Zahnloses Gesetz

Geschehen ist seit den Gerichtsbeschlüssen vom August so gut wie nichts. Vergangenen Freitag hatten die per Heimaufenthaltsgesetz bestellten offiziellen Bewohnervertreter vom Verein Vertretungsnetz – Bewohnervertreter wieder einen Gerichtstermin beim Bezirksgericht. Sie müssen in zwei der vier Fälle auf die Einhaltung von Gerichtserkenntnissen pochen. Entschieden wird Ende dieser Woche.

Und auch dann ist nicht sicher, dass den Heimbewohnern geholfen wird. Denn das Heimaufenthaltsgesetz kennt keine Strafbestimmungen für säumige Heimträger. Die einzige Chance ist das Zivilrecht. In zwei Fällen haben die Sachwalter von Bewohnern des Konradinums bereits auf Schadenersatz wegen Grundrechtseingriffen geklagt.

Neubau ist zu wenig

Das Land als Heimträger – zuständig sind das ÖVP-geführte Gesundheitsressort und das von den Grünen geleitete Sozialressort – reagiert auf die Missstände lediglich mit dem Hinweis, dass man in den nächsten Jahren die bauliche Situation verbessern wolle.

Was wiederum für die Bewohnervertreter zu wenig ist. Es fehle an allem: Tagesstruktur, Kommunikationstraining, Intensivbetreuung. "Nur neue, breitere Türen, bringen wenig", sagen die Bewohnervertreter Alexandra Niedermoser und Erich Wahl.

Angriffe "von außen"

Und obwohl Volksanwaltschaft wie auch Bewohnervertreter wiederholt betont hatten, dass die Missstände nicht an den Mitarbeitern lägen, sondern es schlicht an Ressourcen für das Heim Konradinum mangle, versucht die Landesregierung die Debatte als Angriffe auf die Bediensteten "von außen" darzustellen.

In einer Aussendung des Landesmediendienstes werden ehemalige Zivildiener mit den Worten "den Menschen, die hier wohnen, geht's gut" und anstrengend sei nicht die Arbeit, sondern "die Dinge, die von außen hereingetragen werden", zitiert. "Es gibt einfach kein politisches Interesse, etwas zu verändern", resümiert die Bewohnervertretung. (Thomas Neuhold, 2.3.2016)