Müchen/Zagreb/Tirana/Athen/Idomeni – CSU-Chef Horst Seehofer hat die strengeren Kontrollen und Einlassregeln entlang der Balkanroute und die damit verbundene Verringerung des Flüchtlingsstroms nach Deutschland begrüßt. "Es gibt eine Wende in der Flüchtlingspolitik durch die weitgehende Schließung der Balkanroute", sagte der bayerische Ministerpräsident dem "Spiegel" laut einem Vorabbericht vom Freitag. "Deutschland ist der Profiteur davon."
Vor allem durch die fast vollständige Schließung der mazedonischen Grenze ist die Zahl der Menschen, die nach Norden weiterziehen wollen, deutlich zurückgegangen. Nun aber stecken mehr als 30.000 Menschen in Griechenland fest. Hilfsorganisationen befürchten eine humanitäre Katastrophe.
SPD-Chef Sigmar Gabriel griff Seehofer scharf an. Statt Kanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel in ihrem Bemühen um eine europäische Lösung zu unterstützen, verbünde sich Seehofer mit ihrem größten Gegner, sagte Gabriel der "Bild"-Zeitung angesichts der neuerlichen Reise Seehofers zu Ungarns Premier Viktor Orbán. "Ich halte es für verantwortungslos, der Kanzlerin kurz vor dem entscheidenden Gipfel derartig in den Rücken zu fallen." Die SPD garantiere die Handlungsfähigkeit der Regierung.
Kroatien und Albanien verstärken Grenzschutz
Die Staaten des Westbalkans entsandten unterdessen zusätzliche Soldaten und Polizisten an die Grenzen. Wegen einer möglichen Verlagerung der Flüchtlingsroute hat Albanien laut Medienberichten nun 450 Sonderpolizisten an der Grenze zu Griechenland stationiert, um an fünf Grenzübergängen rund um die Uhr die Situation zu überwachen.
Kontrolliert werde auch die grüne Grenze, berichtete die kosovarische Tageszeitung "Koha Ditore" am Freitag. Die albanischen Behörden halten demnach auch Kontakt mit den Griechen, um über eine Bewegung von Flüchtlingsgruppen zur griechisch-albanischen Grenze informiert zu werden. In Albanien wurden in der Vorwoche einige kleinere Gruppen illegal eingereister Flüchtlinge gefasst.
Nach Slowenien, das diese Woche ein entsprechendes Gesetz beschlossen hat, will nun auch Kroatien Grundlagen schaffen, um die Armee an die Grenze zu schicken. Die Regierung will dem Parlament vorschlagen, "in außergewöhnlichen Umständen, die Sicherheit oder humanitäre Fragen betreffen", Militäreinsätze im Inland zu erlauben. Die Soldaten sollen in diesem Fall den Anweisungen der Polizei folgen müssen. Die Regierung plane keinen sofortigen Einsatz, wolle sich aber die Möglichkeit dazu offenhalten, sagte Premier Tihomir Orešković.
Flüchtlingslager an mazedonischer Grenze verschlammt
An der Grenze Mazedoniens zu Griechenland hat sich derweil die humanitäre Lage weiter verschärft: Nach kräftigem Regenfall in der Nacht war das provisorische Lager verschlammt, berichtete das Fernsehen am Freitag. Zudem herrschten in der Früh Temperaturen um die sechs Grad Celsius.
Insgesamt wird die Zahl der bei dem Grenzübergang von Idomeni versammelten Menschen von humanitären Organisationen auf etwa 12.000 geschätzt. In ganz Griechenland sitzen offiziellen Angaben zufolge nach der weitgehenden Schließung der Balkanroute inzwischen etwa 32.000 Menschen fest.
Knapp 600 kamen Freitagfrüh von Inseln der Ostägäis in der Hafenstadt Piräus nahe Athen an, berichtete der Sender ERT. Die Hilfsorganisationen informierten sie, dass sie in besser organisierten Aufnahmelagern südlich der Grenze untergebracht werden könnten. Die meisten Menschen weigern sich jedoch, weil sie erwarten, dass Mazedonien zumindest kurzfristig den Grenzzaun öffnen könnte, berichteten Reporter. Die jüngsten verfügbaren Daten der UN-Flüchtlingshochkommissariats UNHCR sprechen von 2162 Ankünften auf den griechischen Inseln am vergangenen Mittwoch. An den Vortagen waren die Zahlen teils deutlich darunter gelegen.
Orban bestreitet Pakt mit Seehofer gegen Merkel
Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban hat ein gemeinsames Paktieren mit dem bayerischen Regierungschef Horst Seehofer gegen die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel bestritten. "Wir sind nicht gegen Angela Merkel", sagte Orban am Freitag in Budapest im Anschluss an ein Gespräch mit Seehofer.
Orban ergänzte, dass beiden viel an einem Erfolg von CDU und CSU liege: "Wir sind daran interessiert, dass es eine starke Regierung und starke Bundeskanzlerin gibt." Seehofer sagte, er könne alles, was Orban gesagt habe, nur "dick unterstreichen". Er wünsche Merkel "von ganzem Herzen" beim kommenden EU-Gipfel zur Flüchtlingsfrage Erfolg.
Gleichzeitig lehnte Orban eine europäische Verteilung der Flüchtlinge weiterhin strikt ab. "Wir würden keine Vereinbarung akzeptieren, die einen Transfer von Migranten aus der Türkei nach Ungarn vorsieht", sagte er. "Wir glauben, dass wir fähig sein sollten, die Grenzen luftdicht zu versiegeln."
Seehofer hingegen betonte seine Unterstützung für die Verhandlungsposition von Merkel, die eine europäische Verteilung durchsetzen will. Auf Dauer sei eine Lösung nur in "europäischer Solidarität" zu erreichen, sagte Seehofer dazu. (Reuters, APA, red, 4.3.2016)