STANDARD: Wie stellen Sie sich den Wähler vor, der gerne einen Kasperl als Präsidenten hätte?

Lugner: Ich bezeichne mich nicht so, die anderen bezeichnen mich so.

STANDARD: Ihr Wahlkampfmanager sagt selbst, dass er Ihnen diese Rolle auf den Leib geschneidert hat.

Lugner: Ja, er ist der Meinung, dass das so ist. Ich glaube, wir werden das Kasperl-Thema jetzt aber eher nicht weitermachen, weil ich ständig als Kasperl angegriffen werde. Da gibt es zwar auch die Meinung: Hauptsache, man steht in der Zeitung – aber das würde ich ein bisschen vorsichtig sehen.

STANDARD: Wie sieht der typische Lugner-Wähler aus?

Lugner: Angeblich waren es 1998 in erster Linie blaue Wähler und dann knapp dahinter rote – also eher die Arbeiterschaft. Aber ob das stimmt, weiß ich nicht.

Nach seiner Präsidentschaftskandidatur 1998 will es Richard Lugner wieder wissen. Der Unternehmer pocht auf Menschenrechte, Flüchtlinge sollen es aber nicht besser haben als Österreicher.
Foto: Hendrich

STANDARD: Sie sind Arbeitgeber, Rudolf Hundstorfer ist Gewerkschafter – wer hat bei Arbeitern bessere Chancen?

Lugner: Es geht darum, dass Leistung belohnt wird und das Sozialnetz nicht noch dichter gemacht wird. Man muss von dem sozialen Netz irgendwas ein bissl reduzieren, damit wir im Ausland konkurrenzfähig sind.

STANDARD: Was genau – Gesundheit, Bildung?

Lugner: Da gibt es Verschiedenes. Schauen Sie, der Bundespräsident ist ja nicht die Bundesregierung.

STANDARD: Sie versuchen sich aus der Affäre zu ziehen.

Lugner: Man könnte zum Beispiel … da kommt es darauf an, welche Karenzzeiten es gibt.

STANDARD: Also bei der Karenz könnte man eventuell kürzen?

Lugner: Man könnte sagen: Vier Tage in der Woche zahlt der Staat und einen muss er selber zahlen, damit man auch die eigene Verantwortung mehr herausstreicht.

STANDARD: Babykarenz oder Bildungskarenz?

Lugner: Bei der Babykarenz weniger. Es gibt so viele Sachen. Für alles gibt es Fonds. Man muss das durchforsten. Aber Rot und Schwarz streiten ja nur. Beide haben gute Minister, aber sie streiten nur. Mein Statement ist: Rot-Schwarz ganz sicher nicht. Ein Beispiel: Nicht der Bundeskanzler entscheidet, wer Sozialminister wird, sondern die Gewerkschaft. So kann doch eine Demokratie nicht funktionieren.

STANDARD: Wäre eine Regierung mit blauer Beteiligung demokratischer?

Lugner: Das kann ich nicht sagen, die sind im Burgenland und in Oberösterreich, Entscheidungen habe ich nicht wahrgenommen.

STANDARD: In der Bundesregierung war die FPÖ auch schon.

Lugner: Ja, die Schüssel-Riess-Passer-Regierung hat schon was weitergebracht und nicht öffentlich gestritten. Sie haben eine Pensionsreform gemacht. Dann haben aber wieder Sinowatz und Steger, nein – also dann haben sie die Hacklerregelung eingeführt.

STANDARD: Die Buwog-Privatisierung war eine Erfolgsgeschichte?

Lugner: Da weiß ich nicht, was gelaufen ist. Dass dort schräge Dinge gemacht wurden, das ist was anderes. Aber Riess-Passer hat schon was weitergebracht.

STANDARD: Sie haben einmal gesagt, dass Sie nicht gegen alles schimpfen wollen wie Donald Trump. Was finden Sie denn gut an der aktuellen Bundesregierung?

Lugner: Das Problem der aktuellen Regierung ist, dass sie keine Probleme angeht. Der Doskozil versucht in der Flüchtlingskrise, ein bisschen was zu machen, der Schelling bei den Pensionen – aber gemeinsam kommen sie zu keiner Lösung. Der Bundespräsident hätte beim Aufkommen der Flüchtlingskrise im September 2015 zu den anderen Staatschefs gehen müssen und sagen: Bitte, schauen wir, dass wir die Schengen-Grenzen dicht kriegen, alle Schengen-Länder haben eine Militärmacht, die jedes feindliches Eindringen verhindern kann. Nichts ist geschehen.

derstandard.at/von usslar

STANDARD: Also sind Kriegsflüchtlinge für Sie Feinde?

Lugner: Nein, wir haben die Menschenrechtskonvention unterschrieben, folglich müssen wir die Flüchtlinge nehmen.

STANDARD: Wie können wir sie aufnehmen, wenn sie erst gar nicht reinkommen?

Lugner: Na ja, es kommen ja nicht nur die hinein, es kommen alle herein: 75 Prozent der Flüchtlinge sind Männer und die flüchten eigentlich vor dem Kriegsdienst im Land. Ist das ein Asylgrund? Da könnten bei jedem Krieg alle Männer davonrennen, weil sie Angst vor dem Krieg haben.

STANDARD: Wären Sie heute ein junger Mann in Afghanistan, würden Sie dort bleiben?

Lugner: Ich bin Gott sei Dank ein weißer Jahrgang, ich bin nie eingerückt. Ich war zu Kriegsende zwölf Jahre alt. Ein paar Sitzenbleiber in der Klasse wurden schon zum Volkssturm eingezogen. Ich habe Angst gehabt davor, dass ich auch zum Militär muss. Dazu muss ich sagen: Das vereinte Europa, so viel man schimpfen mag über die Bürokratie, aber wir haben es geschafft, seit 70 Jahren in Europa Frieden zu haben.

STANDARD: Würden Sie in Afghanistan bleiben oder nicht?

Lugner: Ich bin schon zu alt. In Österreich ist es ja strafbar, wenn Sie nicht einrücken. Dass da einer davor flüchtet, ist für mich vorstellbar, aber es ist eben die Frage: Ist das ein Asylgrund?

STANDARD: Sie halten das für den Grund, warum so viele herkommen?

Lugner: Sonst wären nicht 75 Prozent der Flüchtlinge Männer.

STANDARD: Dafür gibt es auch andere Erklärungen.

Lugner: Es ist eine Katastrophe, was in Syrien passiert, keine Frage. Die Amerikaner wollen den Assad nicht, sie sagen, der foltert, und greifen deswegen dort ein. Die Russen haben dort einen Stützpunkt und deswegen unterstützen sie den Assad. Wenn die Großmächte sich in so einen Konflikt einmischen, ist das halt ein Problem. Hätte man den Assad allein und ihn seine Probleme selbst lösen lassen, gäbe es vielleicht diese riesige Kriegsentwicklung nicht.

"Wir sollen für die armen Österreicher was tun, keine Frage. Aber das Sozialnetz ist sehr, sehr dicht und teurer als in vielen anderen Ländern."
Hendrich

STANDARD: Haben Sie mit den Flüchtlingen persönlich schon Erfahrungen gemacht?

Lugner: Meine Frau hat etwas gemacht, da war irgendeine Zeitung mit. Wir haben gespendet und den Flüchtlingen etwas gegeben. Wobei meine Frau die Flüchtlinge nicht alle verstanden hat. Nicht alle, aber es waren ein paar dabei, die hat das gar nicht interessiert. Das Problem ist auch, wenn da ein riesiger Überhang an Männern kommt, die nichts zu tun haben, denen man keine Arbeit gibt – die kommen halt auf dumme Gedanken.

STANDARD: Also sollte man sie arbeiten lassen?

Lugner: Man sollte sie beschäftigen. Da müssen nicht Österreicher für die kochen. Es wird auch sicher welche geben, die die ganze Organisation dort unter Aufsicht erledigen können. Die haben dort ein Bett, ein Essen und ein Taschengeld. Das haben viele Österreicher nicht. Man muss sich auch um die Österreicher kümmern. Die haben vielleicht ihr Leben lang Steuern gezahlt und haben kein Quartier. Und ein Flüchtling, der noch nie irgendetwas für Österreich getan hat, den nehmen wir aufgrund der Menschenrechtskonvention. Ist okay. Ich bin auch froh, dass es das gibt. Meine Familie stammt aus dem deutschsprachigen Teil vom Königreich Böhmen. Die Schwestern meines Vaters wurden 1945 von ihren Häusern vertrieben. Die waren froh, dass sie in Bayern aufgenommen wurden. Das sind heute echte Bayern.

STANDARD: Jetzt sagen Sie: Man soll mehr für die armen Österreicher tun. Vorhin meinten Sie noch, man sollte bei den Sozialausgaben sparen. Also was jetzt?

Lugner: Wir sollen für die armen Österreicher was tun, keine Frage. Aber das Sozialnetz ist sehr, sehr dicht und teurer als in vielen anderen Ländern.

STANDARD: Wohin würde Sie denn Ihr erster Staatsbesuch hinführen?

Lugner: Die nächste Großmacht, wo wir momentan Probleme haben, wäre Russland. Meine Verwandten sind aus Tschechien vertrieben worden, das wäre auch etwas.

"Wir haben eine Obergrenze bei den Flüchtlingen eingezogen – das entspricht nicht der Menschenrechtskonvention. Das darf man aus meiner Sicht nicht."
Hendrich

STANDARD: Wie würden Sie Ihre diplomatische Rolle im Konflikt der EU mit Russland anlegen?

Lugner: Die echte Macht im Land hat die Regierung. Aber Österreich sollte versuchen, sich einzubremsen: Wir haben eine Obergrenze bei den Flüchtlingen eingezogen – das entspricht nicht der Menschenrechtskonvention. Das darf man aus meiner Sicht nicht. Früher hat man Schlepper bestraft, wenn sie Leute von Ungarn nach Deutschland geführt haben. Heute fährt man die Leute mit Zügen und Bussen an die deutsche Grenze und sagt: Geht's rüber! Da kann man doch nicht sagen, die Deutschen sollen die einfach nehmen. So kann man mit einem wichtigen Nachbarland nicht umgehen. Dass die EU uns da auf die Finger klopft, sehe ich ein.

STANDARD: Sie schimpfen gerne auf die öffentliche Hand. Aber öffentliche Aufträge haben Sie als Bauunternehmer ja doch gerne angenommen, oder?

Lugner: Ich habe fast keine gemacht, das war mir zu heikel. Ich hätte beim AKH in Wien eine Chance gehabt hineinzukommen, das wurde mir sogar angeboten. Da hat man gesagt, so und so viel kriege ich pro Stunde gezahlt. Ich: Damit komme ich nicht aus. Da sagen sie, ich kriege eh mehr Stunden bestätigt als ich arbeite.

STANDARD: Von wem bekamen Sie dieses Angebot?

Lugner: Von irgendwem. Eine politische Sache.

STANDARD: Sie sind Manager der Lugner-City. Was passiert mit dem Unternehmen, wenn Sie Präsident werden?

Lugner: Dasselbe, wie wenn ich sterbe: Dann wird's von meinen Erben fortgeführt.

STANDARD: Und Sie übernehmen es wieder, wenn Ihre Amtszeit vorbei ist?

Lugner: Ich werde sicher öfter in der Lugner-City vorbeischauen, das wird mir niemand verbieten können.

"Ich bin ganz ein normaler Materialist"
Foto: Hendrich

STANDARD: Sind Sie gläubig?

Lugner: Ich bin ganz ein normaler Materialist (lacht). Eigentlich bin ich römisch-katholisch. Ich behalte meinen Glauben bei. Wie der Auftrag für den Moschee-Bau in Wien war, hat der saudische König gesagt, es kommen nur Baumeister aus einer monotheistischen Religion mit einem Buch infrage, also Islam, Christentum oder Judentum. Ich war der Billigstbieter und habe mit dem Botschafter den Auftrag ausgehandelt, das war fast unterschriftsreif. Dann ist ein Baumeister gekommen und hat gesagt: Ich bin gestern zum Islam übergetreten, habe mich beschneiden lassen, Sie werden doch lieber mit einem Muslim bauen als mit einem Christen? Aber der König hat einen salomonischen Spruch gemacht: Mir ist ein Baumeister, der zu seinem Glauben steht, lieber als ein Baumeister, der wegen eines Auftrags seinen Glauben wechselt. Ein schöner Spruch!

STANDARD: Was assoziieren Sie mit dem 8. Mai 1945?

Lugner: Das war das Ende des Kriegs. Wir waren im Waldviertel in Dorfstetten, mein Bruder und ich haben Schafe und Rinder gehütet und waren unterwegs, da ist einer auf der Straße gelaufen und hat geschrien: Der Krieg ist aus! Wir sind auch gleich gerannt und haben geschrien. Das war eine tolle Erleichterung. Ein paar Tage davor waren wir in unserem Garten in Breitenfurt, und eine SS-Eliteeinheit, die eigentlich Wien verteidigen sollte, ist da gerade raus aus Wien, das war ein ganzer SS-Zug. Die haben geschaut, dass sie schnell in Zivilgewand kommen.

STANDARD: Also Deserteure?

Lugner: So kann man es auch sehen, ja. Damals hat man den Schusslärm vom Neusiedler See bis nach Wien reingehört. Ich hatte Angst, dass ich einrücken muss, ich hatte einfach vorm Krieg Angst. So wie heute die Syrien-Flüchtlinge. (Sebastian Fellner, Maria Sterkl, 6.3.2016)