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Ex-Premier Saad Hariri (li.) und sein aktueller Nachfolger Premier Tammam Salam im Parlament.

Foto: Reuters / Mohames Azakir

Bereits zum 36. Mal hat sich am Mittwoch die Charade abgespielt: Die Abgeordneten des libanesischen Parlamentes waren aufgerufen, einen Präsidenten zu wählen. Wie bei den 35 Versuchen davor wurde das Quorum verfehlt, wenn auch weniger deutlich. Die schiitische Hisbollah will noch nicht – und die christlichen Maroniten, denen der Posten zufällt, können sich nicht auf einen Kandidaten einigen.

Der Libanon erlebt unruhige Zeiten. Im November gab es bei einem IS-Anschlag in einem schiitischen Wohnviertel Beiruts 43 Tote. Seit zehn Tagen schießt Saudi-Arabien eine Salve nach der anderen gegen den Zedernstaat. Am Mittwoch erreichte die Eskalation einen neuen Höhepunkt, als alle Golfländer Hisbollah zur Terrororganisation erklärten.

Kampf gegen schwindenden Einfluss

Saudi-Arabien realisiere, dass die USA den Iran immer stärker als stabilisierenden Faktor in der Region betrachte – und gegen diesen Verlust des eigenen Einflusses kämpfe Riad mit allen Mitteln an, erklärt der Politologe Hilal Khashan von der American University im Gespräch mit dem STANDARD. Saudi-Arabien, traditionell ein großzügiger Pate des Libanon, hat vier Milliarden Dollar (3,7 Milliarden Euro) Militärhilfe eingefroren, eine Reisewarnung ausgesprochen – die Golfländer folgten -, 90 Libanesen ausgewiesen und mehrere libanesische Firmen auf die schwarze Liste gesetzt.

Der Vorwand war ein diplomatisches Geplänkel. Hintergrund ist die Rolle der Hisbollah-Kämpfer in Syrien an der Seite des Assad-Regimes und des Iran; eine Rolle, die stillschweigend auch von den USA akzeptiert wird, weil sie den Kampf gegen den "Islamischen Staat" (IS) einschließt.

Neue aggressive Politik

Diese Eskalation steht in einer Reihe mit anderen aggressiven Schritten, die unter dem neuen starken Mann in Riad, Verteidigungsminister Mohammed bin Salman, im vergangenen Jahr gesetzt wurden – vor allem mit dem Krieg im Jemen. Für das multikulturelle libanesische Mosaik habe der 30-Jährige kein Verständnis, beklagt ein Zeitungskolumnist.

Die ersten Verlierer des saudischen Zorns sind die Kader der sunnitischen Zukunftsbewegung von Saad Hariri, unter dessen vor elf Jahren ermordetem Vater Rafik das Verhältnis zum wahhabitischen Königshaus am engsten war. Ein hohes iranisches Regierungsmitglied, am Mittwoch in Beirut zu Besuch, hat bereits durchblicken lassen, Teheran könnte mit Waffenlieferungen in die Bresche springen, sollten die saudischen Gelder für die französischen Waffen ausbleiben.

Hisbollah gibt sich nicht beeindruckt

Die Hisbollah zeigt sich von den saudischen Drohungen unbeeindruckt. Für ihren Einsatz in Syrien, bei dem schon 1300 Militante umgekommen sind, hat die schiitische Organisation die Legitimation der eigenen Sekte.

Aber auch die Mehrheit der libanesischen Christen akzeptiert den Hisbollah-Einsatz gegen den IS. Scheich Hassan Nasrallah hat in einer Fernsehansprache klargestellt, dass es "keinen weiteren 7. Mai" geben werde. Am 7. Mai 2008 hatten schiitische Milizen die sunnitischen Bezirke Beiruts handstreichartig übernommen, nachdem Saudi-Arabien mit viel Geld versucht hatte, sunnitische Milizen aufzustellen und zu bewaffnen. Nasrallah musste beruhigen, nachdem es in den letzten Tagen zu Demonstrationen mit Straßensperren und brennenden Autoreifen von seinen wütenden Gefolgsleuten gekommen war.

Dialog geht weiter

Lokale Auseinandersetzungen zwischen Schiiten und Sunniten, die auch im syrischen Bürgerkrieg Gegner sind, konnte die Armee bisher immer eindämmen. Politologe Khashan zeigte sich überzeugt, dass die Hisbollah kein Interesse an einer Eskalation im eigenen Land habe. Auch Hariri betonte, dass er den Dialog mit der Hisbollah weiterführen werde, Gewalt dürfe das Land nicht zerstören. Um zu verhindern, dass der Libanon wie Syrien werde, müsse die Wahl eines Präsidenten schnell erfolgen. Das werde allerdings erst geschehen, wenn der syrische Konflikt entschärft sei, sagt Khashan voraus.

Viele Libanesen machen sich Sorgen um die wirtschaftlichen Konsequenzen der saudischen Salven, obwohl der saudische Tourismus im Libanon seit Ausbruch der Syrienkrise bereits um 60 Prozent eingebrochen ist. "Die hohe Politik sorgt für Spannungen, und wir leiden darunter. Dabei wollen wir nur ein anständiges Auskommen", beklagt sich der Besitzer eines traditionsreichen Geschäfts im Stadtzentrum, wo viele Läden und Restaurants bereits aufgegeben haben. (Astrid Frefel aus Beirut, 5.3.2016)